Midkemia Saga 02 - Der verwaiste Thron
Händler Pferde und Zaumzeug zu einem guten Preis überlassen. Sie fanden den Mann. Er war ein dünner, hakennasiger Kerl namens Brin. Laurie verbrachte fast eine Stunde damit, sich mit dem Händler über den Verkauf von zweien seiner besseren Tiere zu einigen. Als sie ihn verließen, jammerte er und drückte seine Sorge darüber aus, daß sie des Nachts nicht würden schlafen können, nachdem sie einen ehrlichen Geschäftsmann so übers Ohr gehauen hatten. Sie hätten ihn um das Geld gebracht, das er benötigte, um seine hungrigen Kinder zu ernähren.
Als sie durch das Tor ritten, hinter dem die Straße nach Ylith lag, meinte Kasumi: »Dieses euer Land erscheint mir schon sehr merkwürdig, aber als du mit dem Händler gestritten hast, mußte ich doch an daheim denken. Unsere Händler sind viel höflicher und würden niemals so ihre Stimme erheben, aber es ist trotzdem dasselbe. Sie haben alle hungrige Kinder.«
Laurie lachte und trieb sein Pferd vorwärts. Bald darauf waren sie außer Sichtweite der Stadt.
Vierzehn Tage später erreichten sie das nördliche Tor von Krondor. Als sie hindurchritten, wurden sie von mehreren Wachtposten in Schwarz und Gold mißtrauisch betrachtet. Kaum konnten sie von ihnen nicht mehr gehört werden, da sagte Laurie: »Das sind nicht die Röcke des Prinzen. Das Banner von Bas-Tyra flattert über Krondor.«
Sie ritten eine Minute lang langsam weiter. Dann meinte Kasumi: »Was hat das zu bedeuten?«
»Ich weiß nicht. Aber ich kann mir vorstellen, wo wir das herausfinden können.« Er trieb sein Pferd an, und Kasumi folgte ihm. Sie ritten durch eine Anzahl von Straßen, zu deren beiden Seiten sich Lager- und Geschäftshäuser erhoben. Man hörte Geräusche von den Docks, die ein paar Straßen weiter lagen. Im übrigen war die Gegend ruhig. »Es ist merkwürdig«, bemerkte Laurie, als sie weiterritten. »Für gewöhnlich ist dieser Teil der Stadt um diese Tageszeit am belebtesten.«
Kasumi schaute sich um, ohne zu wissen, was er zu sehen erwartete. Die Städte Midkemias erschienen ihm im Vergleich zu denen des Kaiserreichs klein und schmutzig. Trotzdem war der Mangel an Aktivität hier irgendwie merkwürdig. Sowohl Zun als auch Ylith hatten von Soldaten, Händlern und Bürgern gewimmelt, obwohl sie kleinere Städte waren als Krondor. Als sie weiterritten, wurde Kasumi von einem Gefühl der Unruhe befallen.
Sie erreichten einen Teil der Stadt, der noch mehr heruntergekommen war als der Lagerhaus-Distrikt. Die Straßen hier waren schmal, und vier- bis fünfstöckige Häuser duckten sich an ihren Seiten. Dunkle Schatten waren überall, selbst am Mittag. Die Menschen auf der Straße, ein paar Händler und Frauen auf dem Weg zum Markt, bewegten sich leise und mit Hast. Wohin die Reiter auch schauten, bemerkten sie Vorsicht und Mißtrauen in den Gesichtern.
Laurie führte Kasumi zu einem Tor, hinter dem der obere Teil eines dreistöckigen Gebäudes zu sehen war. Laurie bückte sich im Sattel und zog an der Klingelschnur. Als er nach ein paar Minuten noch immer keine Antwort erhalten hatte, klingelte er noch einmal.
Einen Augenblick später glitt ein Spion beiseite. Zwei Augen konnten in dem winzigen Fenster gesehen werden, und eine Stimme fragte: »Was wollt Ihr?«
Lauries Ton war scharf. »Lucas, bist du es? Was geht denn hier vor, daß Reisenden nicht einmal mehr Einlaß gewährt wird?«
Die Augen wurden größer, das Fenster glitt zu. Dann schwang das Tor mit knirschendem Protest auf, und ein Mann trat vor, um es weit zu öffnen. »Laurie, du Schurke!« rief er aus, als er die Reiter einließ. »Es ist fünf – nein, sechs Jahre her!«
Sie ritten in den Hof, und Laurie war entsetzt über den Zustand des Gasthofs. An einer Seite befand sich ein verfallener Stall. Dem Tor gegenüber hing ein Schild über dem Haupteingang. In verblichenen Tönen zeigte es einen farbenprächtigen Papageien mit ausgebreiteten Flügeln. Sie konnten hören, wie das Tor hinter ihnen geschlossen wurde.
Der Mann, den man Lucas nannte, ein großer, dünner Kerl mit grauem Haar, sagte: »Ihr müßt die Tiere selbst versorgen. Ich bin allein hier und muß in den Schankraum zurückkehren, ehe meine Gäste dort alles stehlen. Ich bringe dich und deinen Freund hinein, und dann können wir uns unterhalten.« Er wandte sich ab, und die beiden Reiter blieben allein zurück, um ihre Pferde zu versorgen.
Als sie ihnen die Sättel abnahmen, sagte Laurie: »Hier geht eine Menge vor, was ich nicht verstehe. Der
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