Midkemia Saga 02 - Der verwaiste Thron
Bunte Papagei war niemals ein vornehmer Ort, aber immer noch eine der besseren Tavernen im Armenviertel.« Schweigend rieb er sein Reittier trocken. »Wenn es überhaupt einen Ort gibt, an dem wir herausfinden können, was hier in Krondor vorgeht, dann ist das bei Lucas. Und in den Jahren, in denen ich durchs Königreich gezogen bin, habe ich etwas gelernt: Wenn die Wachtposten an den Stadttoren Reisende genau mustern, dann ist es Zeit, sich an einen Ort zu begeben, wo sie wahrscheinlich nicht suchen werden. Im Armenviertel kann es dir leicht passieren, daß man dir die Kehle durchschneidet, aber du wirst hier kaum einen Wachtposten sehen. Und wenn sie doch mal kommen, dann wird der Mann, der versucht hat, dich umzubringen, dich eher verstecken, bis sie gegangen sind, als dich ihnen ausliefern.«
»Und dann versuchen, dir die Kehle durchzuschneiden.«
Laurie lachte. »Du begreifst schnell.«
Als die Pferde versorgt waren, schleppten die beiden Reisenden ihre Sättel und Bündel ins Gasthaus. Drinnen empfing sie ein schwach beleuchteter Schankraum mit einer langen Bar an der rückwärtigen Wand. Linker Hand erhob sich ein hoher Kamin, und rechts führte eine Treppe nach oben. Eine Anzahl leerer Tische stand im Raum, und an zweien saßen auch Gäste. Sie warfen auf die Neuankömmlinge einen schnellen Blick und wandten sich dann wieder ihren Getränken und ihrer leisen Unterhaltung zu.
Laurie und Kasumi gingen zur Bar hinüber, wo Lucas stand und mit einem nicht sehr sauberen Tuch ein paar Weinbecher putzte. Sie ließen ihre Bündel vor ihre Füße fallen, und Laurie sagte:
»Gibt’s Wein aus Kesh?«
»Ein bißchen. Ist aber teuer. Seit der Ärger angefangen hat, hat es kaum Handel mit Kesh gegeben«, antwortete Lucas.
Laurie schaute ihn abwägend an. »Dann zwei Bier.«
Einen Augenblick später tauchten riesige Becher Bier vor ihnen auf, und Lucas sagte: »Schön, dich zu sehen, Laurie. Ich habe deine zarte Stimme vermißt.«
»Das letzte Mal hast du das aber nicht gesagt. Wenn ich mich recht entsinne, hast du es mit dem Schreien einer Katze verglichen, die einen Kampf sucht.«
Sie kicherten alle, und Lucas erklärte: »Jetzt, wo alles so düster aussieht, bin ich denen gegenüber, die wahre Freunde waren, sanfter geworden, regelrecht geschmolzen. Es sind nur noch wenige von uns übriggeblieben.« Er warf einen deutlich fragenden Blick auf Kasumi.
»Das ist Kenneth, ein wirklicher Freund von mir, Lucas«, stellte Laurie ihn vor.
Lucas betrachtete den Tsurani noch eine Weile länger, dann lächelte er. »Lauries Empfehlungen zählen hier viel. Willkommen.« Er streckte seine Hand aus, und Kasumi schüttelte sie, wie es im Königreich üblich war.
»Ich freue mich über Euer Willkommen.«
Lucas runzelte beim Klang seines Akzents die Stimme. »Ein Ausländer?«
»Aus dem Tal der Träume«, erklärte Kasumi.
»Von der königlichen Seite«, ergänzte Laurie.
Lucas musterte den Kämpen. Nach einem Augenblick meinte er achselzuckend: »Wie auch immer, für mich ist das unwichtig. Aber seid auf der Hut. Wir leben in mißtrauischen Zeiten, und Fremden wird hier nur wenig Liebe entgegengebracht. Paßt auf, mit wem Ihr redet, denn es geht das Gerücht, daß Hundesoldaten aus Kesh bereit sind, wieder gen Norden zu ziehen. Und Ihr seid fast ein Keshianer.«
Ehe Kasumi noch etwas sagen konnte, antwortete Laurie: »Heißt das, es wird Ärger mit Kesh geben?«
Lucas schüttelte den Kopf. »Kann ich nicht sagen. Derzeit gibt es mehr Gerüchte, als ein Bettler Flöhe hat.« Er senkte die Stimme. »Vor zwei Wochen trafen Händler ein. Sie wußten zu berichten, daß das Kaiserreich Großkesh wieder bis weit in den Süden hinein kämpft. Man versucht, die ehemaligen Provinzen der Konföderation zurückzugewinnen. Also sollte es hier eine Weile ruhig bleiben. Vor über einhundert Jahren haben sie ja gelernt, was aus einem Zwei-Fronten-Krieg werden kann. Damals haben sie ganz Bosania verloren, aber die Konföderation dennoch nicht besiegt.«
»Wir sind seit langer Zeit unterwegs und haben nur wenig Neuigkeiten gehört«, berichtete Laurie. »Warum weht Bas-Tyras Banner über Krondor im Wind?«
Lucas sah sich schnell im Raum um. Die Trinkenden schienen von der Unterhaltung an der Bar nichts zu verstehen, aber Lucas machte ihnen dennoch ein Zeichen, zu schweigen. »Ich werde Euch ein Zimmer zuweisen«, sagte er laut. Sowohl Laurie als auch Kasumi waren überrascht, nahmen aber ihre Bündel auf und folgten Lucas wortlos
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