Midkemia Saga 02 - Der verwaiste Thron
zurückkommt.«
Kulgan winkte ihn wieder auf seinen Platz zurück. »Lyam wird nichts tun, denn er ist der Sohn seines Vaters. Er fängt keinen Bürgerkrieg an, nicht hier.«
Pug saß da und spielte gedankenverloren mit seinem Dolch. »Jetzt, wo die Armeen des Ostens im Lager sind, weiß Lyam, daß der Westen an die Tsuranis und die Krone an Bas-Tyra fällt, wenn es zum Kampf kommt. Lieber geht er zum Galgen und läßt sich das Seil um den Hals legen, als daß er sich das ansieht.«
»Dümmer kann es nicht mehr gehen«, meinte Laurie.
»Nein«, widersprach Kulgan, »das ist keine Dummheit, Sänger, sondern eine Frage der Ehre.
Lyam ist, genau wie sein Vater vor ihm, der Ansicht, daß dem Adel die Verantwortung obliegt, Sein Lebenswerk – und wenn nötig auch sein Leben – für das Königreich zu geben. Jetzt, wo Borric und Erland tot sind, ist Lyam der nächste, der Anspruch auf den Thron hat. Aber die Folge ist unklar, denn Rodric hat noch keinen Erben ernannt. Lyam könnte es nicht ertragen, die Krone zu tragen, wenn man ihn für einen Emporkömmling halten würde. Mit Arutha ist das etwas anderes. Der würde einfach tun, was von ihm erwartet wird. Er würde den Thron besteigen – auch wenn er das nicht gern tun würde – und sich erst dann Sorgen machen, was über ihn gesagt wird, wenn es gesagt worden ist.«
Pug nickte. »Ich glaube, da hat Kulgan recht. Ich kenne die Brüder nicht so gut wie er, aber ich glaube, es wäre besser gewesen, wenn die Reihenfolge umgekehrt gewesen wäre. Lyam würde einen guten König abgeben, aber Arutha einen großen. Die Männer würden Lyam bis in den Tod folgen, aber der jüngere Bruder würde seine Klugheit einsetzen, um sie am Leben zu erhalten.«
»Eine gute und gerechte Beurteilung«, meinte Kulgan. »Wenn es überhaupt jemanden gibt, der uns aus diesem Schlamassel retten kann, dann ist das Arutha. Er hat den Mut seines Vaters, aber auch den schnellen Verstand wie Bas-Tyra. Er könnte mit den Intrigen des Hofes fertig werden, so sehr er sie auch haßt.« Kulgan lächelte. »Als sie noch Knaben waren, haben wir Arutha immer ›die kleine Sturmwolke‹ genannt, denn wenn er wütend wurde, dann blickte er zornig drein und grollte lange. Lyam dagegen war schnell wütend, schnell zum Kampf bereit, aber er hat auch schnell wieder vergessen.«
Kulgans Erinnerungen wurden unterbrochen, als draußen Rufe ertönten. Sie sprangen auf und eilten aus dem Zelt.
Ein blutbefleckter Reiter im Waffenrock von LaMut raste an ihnen vorbei. Sie liefen ihm nach und erreichten das Kommandozelt, als Lord Brucal gerade heraustrat. Der alte Herzog von Yabon erkundigte sich: »Was gibt es Neues?«
»Graf Vandros sendet Nachricht. Sieg!« Man konnte andere Reiter hören, die sich dem Lager näherten. »Wie der Wind haben wir sie überwältigt. Jetzt hält die Infanterie sie in Schach, während die Kavallerie die Tsuranis in den Nordpaß zurücktreibt. Sie fliehen in völliger Verwirrung! Der Tag ist unser!«
Man reichte dem Reiter einen Weinschlauch, denn seine Stimme klang, als wolle sie jeden Augenblick versagen. Er hielt den Wein über sein Gesicht und ließ ihn in seinen Mund rinnen. Er lief ihm übers Kinn und verband sich mit dem dunkleren Rot auf seinem Waffenrock. Dann warf er den Schlauch beiseite. »Aber es gibt noch mehr. Richard von Salador ist gefallen, ebenso wie der Graf von Süden. Und der König ist verwundet.«
Sorge zeigte sich auf Brucals Gesicht. »Wie geht es ihm?«
»Schlecht, fürchte ich«, antwortete der Reiter und hielt sein Pferd, das nervös tänzelte. »Es ist eine ernste Verletzung. Ein Schwert hat seinen Helm gespalten, nachdem sein Pferd unter ihm getötet worden war. Einhundert Mann starben beim Versuch, ihn zu schützen, denn sein königlicher Waffenrock war ein gefundenes Fressen für die Tsuranis. Er kommt jetzt.« Der Rei-|er wies den Weg zurück, über den er gekommen war.
Pug und die anderen wandten sich um. Sie sahen eine Gruppe von Reitern, die sich ihnen näherten. An der Spitze ritt ein Mann der königlichen Garde, der den König vor sich im Sattel hielt.
Das Gesicht des Monarchen war blutbedeckt. Mit der rechten Hand klammerte er sich am Sattel fest, während der andere Arm schlaff an seiner Seite hing. Vor dem Zelt blieben sie stehen, und Soldaten halfen dem König vom Pferd. Sie wollten ihn hineintragen, aber er sagte leise und undeutlich: »Nein. Bringt mich nicht aus der Sonne fort. Gebt mir einen Sessel, damit ich mich setzen
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