Midkemia Saga 02 - Der verwaiste Thron
nicht über den Kummer über den Tod deines eigenen Vaters hinweg, und schon teilst du den meinen. Du bist sehr freundlich.«
Eine Woche zuvor hatte ein Schiff aus Krondor die Nachricht von Erlands Tod gebracht. Anita schüttelte den Kopf. Ihr weiches, rotes Haar fiel in sanften Wellen um ihr Gesicht. »Vater war seit Jahren sehr krank. Er hat uns gut auf seinen Tod vorbereitet. Sein Tod war fast gewiß, als er in den Kerker geworfen wurde. Ich wußte das, als wir Krondor verließen.«
»Dennoch zeigst du Kraft. Ich hoffe, ich bin fähig, meinen Kummer ebenso gut zu ertragen. Es gibt so viel zu tun.«
Sie sprach ruhig und leise. »Ich glaube, ihr werdet weise herrschen, Lyam in Rillanon und du m Krondor.«
»Ich? In Krondor? Ich habe es vermieden, daran zu denken.«
Sie nahm neben ihm auf dem Thron Platz, auf dem Carline gesessen hatte, wenn ihr Vater den Hof um sich versammelt hatte. Sie streckte den Arm aus und legte ihre Hand auf Aruthas, die auf der Armlehne des Thrones lag. »Du mußt. Nach Lyam bist du der nächste Anwärter auf den Thron.
Das Amt des Erben ist es, Prinz von Krondor zu sein. Außer dir gibt es niemanden, der dort regieren könnte.«
Arutha schien sich bei diesem Gedanken gar nicht wohl zu fühlen. »Anita, ich habe immer angenommen, daß ich eines Tages Baron irgendeiner kleineren Burg sein würde; vielleicht hätte ich auch eine Laufbahn als Offizier in einer Armee eingeschlagen. Aber ich habe nie daran gedacht, zu regieren. Ich weiß nicht, ob ich gern Herzog von Crydee sein möchte, geschweige denn Prinz von Krondor. Außerdem wird Lyam heiraten, da bin ich ganz sicher – er hat die Blicke der Mädchen schon immer auf sich gezogen, und als König hat er sicher die freie Wahl. Wenn er dann einen Sohn hat, kann der Junge Prinz von Krondor werden.«
Anita schüttelte entschieden den Kopf. »Nein, Arutha. Es gibt zu viel zu tun, gerade jetzt. Das Westliche Reich braucht eine starke Hand, deine Hand. Ein anderer Vizekönig wird nicht so leicht das Vertrauen gewinnen, denn jeder Herrscher wird jedem anderen mißtrauen, der ernannt wird. Du mußt das Amt übernehmen.«
Arutha musterte die junge Frau. In den fünf Monaten, die sie jetzt in Crydee war, hatte er sie sehr lieb gewonnen. Aber er war unfähig gewesen, seine Gefühle auszudrücken, und ihm fehlten die Worte, wenn sie zusammen waren. Mit jedem Tag wurde sie mehr zu einer schönen Frau, weniger ein Mädchen. Sie war noch immer sehr jung, was ihn verlegen machte. Solange Krieg war, hatte er nicht über die Pläne ihrer Väter bezüglich einer Heirat nachdenken wollen, die sie ihm in jener Nacht an Bord der See-taube enthüllt hatte. Jetzt jedoch, wo der Frieden so nahe war, sah sich Arutha plötzlich dieser Frage gegenüber.
»Anita, was du da sagst, ist möglicherweise richtig. Aber auch du hast Anspruch auf den Thron.
Hast du nicht gesagt, dein Vater hat den Plan für unsere Hochzeit gefaßt, um deinen Anspruch auf Krondor zu festigen?«
Aus großen, grünen Augen schaute sie ihn an. »Das war als Plan gegen Guys Ehrgeiz gedacht.
Es ging darum, den Anspruch deines Vaters und deines Bruders auf die Krone zu stärken, sollte Rodric sterben, ohne einen Erben zu hinterlassen. Jetzt mußt du dich nicht an diese Pläne gebunden fühlen.«
»Wenn ich nun Krondor übernehme, was wirst du dann tun?«
»Mutter und ich haben noch andere Besitzungen. Ich bin sicher, wir können ganz gut von ihrem Ertrag leben.«
Arutha kämpfte gegen die Emotionen an, die in ihm aufwallten. Leise und langsam sagte er: »Ich hatte noch keine Zeit, darüber nachzudenken. Als ich das letzte Mal in Krondor gewesen bin, wurde mir bewußt, wie wenig ich von den Städten kenne, und noch viel weniger weiß ich darüber, wie man sie regiert. Du dagegen bist für solche Aufgaben erzogen worden, ich… ich war bloß der zweite Sohn. Meine Bildung ist mangelhaft.«
»Es gibt viele fähige Männer, hier und in Krondor, die dich beraten werden. Du hast einen klugen Kopf, Arutha, und die Fähigkeit zu sehen, was getan werden muß, und den Mut zu handeln.
Du wirst einen guten Prinzen von Krondor abgeben.«
Sie stand auf und beugte sich vor, um ihn auf die Wange zu küssen. »Dir bleibt noch genügend Zeit, um zu entscheiden, wie du deinem Bruder am besten dienen kannst, Arutha. Laß diese neue Verantwortung nicht zu schwer auf dir lasten.«
»Ich werde mich bemühen. Aber ich würde mich wohler fühlen, wenn ich wüßte, daß du in der Nähe bist – du und deine
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