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Midkemia Saga 02 - Der verwaiste Thron

Midkemia Saga 02 - Der verwaiste Thron

Titel: Midkemia Saga 02 - Der verwaiste Thron Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Raymond Feist
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Tür stehen und die Jünglinge in Weiß beobachten würde, die zusammen mit dem jungen Mann verpflichtet waren, ihr Essen schweigend einzunehmen. Jeden Tag erfüllte ein anderer Träger der schwarzen Robe diese Funktion. Der junge Mann aß und dachte über die letzte Frage des Morgens nach. Er erwog jede mögliche Antwort, suchte nach eventuellen Fehlern und verwarf sie wieder, wenn er sie entdeckt hatte. Abrupt schoß ihm eine Antwort durch den Sinn, ungewollt, intuitiv, als sein Unterbewußtsein ihm die Lösung dieser Frage zuspielte. Das war schon mehrmals in der Vergangenheit geschehen, wenn besonders verzwickte Probleme ihn daran hinderten, Fortschritte zu machen. Und so war er mit seinen Lektionen rapide vorwärtsgekommen. Er suchte nach möglichen Fehlern in dieser Antwort, doch als er sicher war, daß sie richtig sein würde, stand er auf. Vorwurfsvoll und ein wenig ängstlich betrachteten ihn die anderen, denn dies war eine Verletzung der Regeln.
    Er ging hin und trat vor seinen Führer, der ihn mit beherrschtem Gesicht beobachtete. Nur die leicht gehobenen Brauen verrieten seine Neugier. Ohne Einleitung erklärte der junge Mann in Weiß: »Dies ist nicht länger mein Platz.«
    Der Mann in Schwarz verriet keinerlei Erregung, sondern legte nur eine Hand auf die Schulter des Jünglings und nickte leicht. Er griff in seine Robe, zog eine kleine Glocke hervor und läutete einmal damit. Augenblicke später erschien ein anderer schwarzgewandeter Mann. Wortlos übernahm er den Platz an der Tür, während der Führer dem jungen Mann bedeutete, ihm zu folgen.
    Schweigend gingen sie dahin, wie sie es schon so viele Male zuvor getan hatten, bis sie zu einem bestimmten Zimmer kamen. Der Mann in Schwarz wandte sich dem jungen Mann zu und sagte:

    »Öffne die Tür.«
    Er wollte schon danach greifen, doch ein Geistesblitz ließ ihn die Hand zurückziehen. Mit vor Konzentration zusammengezogenen Brauen öffnete er die Tür nur kraft seines Willens. Langsam schwang sie auf. Der Mann in Schwarz drehte sich lächelnd um. »Gut«, sagte er leise. Er hatte eine sanfte, angenehme Stimme.
    Sie betraten einen Raum, in dem viele weiße, graue und schwarze Roben an Haken hingen. Der Mann in Schwarz forderte ihn auf: »Wechsle dein Gewand gegen eine graue Robe.«
    Hastig gehorchte der junge Mann und schaute seinen Führer an. Dieser musterte den neuen Träger von Grau. »Du bist nicht länger zum Schweigen verpflichtet. Jede Frage, die du hast, wird beantwortet werden, so gut es möglich ist. Aber es gibt immer noch Dinge, die warten müssen, bis du die schwarze Robe anlegst. Dann wirst du vollkommen verstehen. Komm jetzt.«
    Der junge Mann in Grau folgte seinem Führer zu einem anderen Raum. Kissen lagen hier um einen niedrigen Tisch, auf dem ein Topf mit heißer Chocha stand, einem bittersüßen Getränk. Der in Schwarz schenkte zwei Becher voll, reichte einen dem jungen Mann und bedeutete ihm, sich zu setzen. Sie ließen sich beide nieder, und der Jüngling fragte: »Wer bin ich?«
    Der Mann in Schwarz zuckte mit den Schultern. »Das wirst du entscheiden müssen, denn nur du kennst deinen wahren Namen. Es ist einer, der niemals anderen gegenüber erwähnt werden darf, damit sie keine Macht über dich bekommen. Von nun an nennt man dich Milamber.«
    Der neu benannte Milamber dachte einen Moment nach. Dann sagte er: »Das wird gehen. Wie heißt Ihr?«
    »Mein Name ist Shimone.«
    »Wer seid Ihr?«
    »Dein Führer, dein Lehrer. Von nun an wirst du andere haben, aber mir wurde die Verantwortung für den ersten Teil deiner Ausbildung übertragen, den längsten Teil.«
    »Wie lange bin ich schon hier?«
    »Fast vier Jahre.«
    Das überraschte Milamber, denn sein Gedächtnis reichte nur kurz zurück, bestenfalls ein paar Monate. »Wann wird meine Erinnerung wieder zu mir zurückkehren?«
    Shimone war erfreut, daß Milamber nicht gefragt hatte, ob sie zurückkehren würde. Und das sagte er auch. »Dein Geist wird dein vergangenes Leben wieder wachrufen, in dem Maße, in dem du mit deiner Ausbildung fertig wirst. Zuerst wird dies langsam vor sich gehen, dann später immer schneller. Dafür gibt es einen Grund. Du mußt in der Lage sein, den Reizen früherer Bindungen zu widerstehen, Bindungen an Familie und Nation, Freunde und Heim. In diesem Fall ist das besonders wichtig.«
    »Warum dieses?«
    »Du wirst das verstehen, wenn deine Vergangenheit zur dir zurückkehrt.« Dies war alles, was Shimone lächelnd antwortete. Seine habichtartigen

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