Midkemia Saga 04 - Dunkel über Sethanon
zu schütten. Daraufhin hatte es überall Explosionen gegeben, und die feindlichen Soldaten waren nicht mehr in der Lage gewesen, die von ihnen gelegten Brände zu kontrollieren. Bald war am Fuß der Mauer das reinste Inferno ausgebrochen, und die Männer auf den Leitern waren einen qualvollen Tod in den Flammen gestorben. Schließlich war das Feuer niedergebrannt, und keine der Leitern war noch zu gebrauchen.
Er war später Nachmittag, und die Sonne sank hinter der Zitadelle. Guy winkte Arutha zu sich. »Ich glaube, für heute haben sie genug.«
Arutha meinte: »Ich weiß nicht recht. Seht nur, wie sie sich aufgestellt haben.«
Guy bemerkte, daß sich das feindliche Heer nicht wie nach den vorherigen Angriffen ins Lager zurückgezogen hatte. Vielmehr ordneten sie ihre Angriffsstellungen neu, und die Kommandanten gestikulierten vor ihren Truppen herum und befahlen Reserven in die Lücken. »Sie werden doch wohl nicht bei Nacht angreifen wollen?«
Amos und Armand waren dazugekommen. »Warum nicht?« meinte Amos. »So, wie sie ihre Leute auf uns hetzen, macht es ihnen scheinbar wenig aus, ob sie sich gegenseitig erkennen können. Diesem verrückten Schweinehirten ist es so egal wie das Schwarze unter dem Fingernagel, wer überlebt und wer stirbt. Und wenn es die reinste Schlachterei wird, egal, solange es uns nur zermürbt.«
Armand sah sich auf der Mauer um. Verwundete und Tote wurden zu den Lazaretten in der Stadt gebracht. »Wir haben heute einen Verlust von insgesamt dreihundertzwanzig Soldaten hinnehmen müssen. Vielleicht wird die Zahl noch größer, wenn alle Berichte überprüft worden sind. Das heißt, unsere Truppenstärke beträgt nunmehr ungefähr 6255.«
Guy fluchte. »Selbst wenn Martin und die anderen Steinberg in kürzester Zeit erreichen sollten und genauso schnell wieder zurückkämen, wäre das nicht schnell genug. Und so wie es aussieht, hat unser Freund noch etwas für die Nacht geplant.«
Arutha lehnte sich an die Mauer. »Aber sie scheinen sich nicht auf einen weiteren Angriff vorzubereiten.«
Guy blickte sich zur Zitadelle um. Die Sonne war hinter den Bergen verschwunden, doch der Himmel war noch immer hell. Von der Mauer aus sahen sie sowohl Banner als auch Fackeln auf der Ebene vor der Stadt. »Offensichtlich warten sie.«
Guy sagte: »Die Truppe kann für heute wegtreten, doch die Leute sollen ihr Essen in der Nähe der Mauer einnehmen.« Er und de Sevigny verließen die anderen, ohne eine Verstärkung der Wachen anzuordnen. Dafür gab es keinen Anlaß.
Arutha blieb mit Amos auf der Mauer. Er hatte ein seltsames Gefühl der Vorahnung, als nahe jetzt die Zeit, in der er seine vorgesehene Rolle in diesem Spiel einnehmen mußte - wie auch immer die aussehen würde. Traf die alte Prophezeiung zu, die ihm bei den Ishapianern in Sarth geweissagt worden war, dann war er der Tod des Bösen, und es würde seine Aufgabe sein, Murmandamus zu besiegen. Er legte das Kinn auf die verschränkten Arme, die auf den kalten Steinen der Mauer ruhten. Amos holte seine Pfeife hervor, stopfte sie mit Tabak und summte dabei ein Seemannslied vor sich hin. Während sie so warteten, verhüllte die Dunkelheit die Armee vor ihnen.
»Locky, nein!« rief Bronwynn und schob den Jungen zur Seite.
Der verwirrte Junker sagte: »Aber wir haben doch dienstfrei.«
Das müde Mädchen erwiderte: »Ich bin den ganzen Tag rumgelaufen und habe Nachrichten hin und her gebracht, genauso wie du. Jetzt fühle ich mich verschwitzt, bin dreckig und völlig verrußt, und du willst dich zu mir legen.«
Locklears Stimme verriet eine Spur Verletztheit. »Doch ... gestern nacht...«
»War gestern nacht«, ergänzte das Mädchen sanft. »Das war etwas, was ich mir gewünscht habe, und ich danke dir dafür. Aber jetzt bin ich müde und verdreckt und nicht in der Stimmung.«
Doch der Junge ließ nicht ab. »Ich danke dir! Hab' ich dir damit vielleicht nur einen Gefallen getan?« Sein verletzter Stolz brach durch, und seine Stimme war von jugendlichen Gefühlen bewegt. »Ich liebe dich, Bronwynn. Wenn das alles hier vorbei ist, mußt du mit mir nach Krondor kommen. Ich werde eines Tages ein reicher Mann sein. Wir können heiraten.«
Halb ungeduldig, halb zärtlich sagte das Mädchen. »Locky, du redest von Dingen, die ich nicht verstehe. Die Freuden des Bettes sind doch keine Verlobung. So, und jetzt will ich mich noch ein bißchen hinlegen, ehe ich wieder zum Dienst muß. Geh. Vielleicht ein anderes Mal.«
Verletzt wich der Junge
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