Midkemia Saga 04 - Dunkel über Sethanon
hineinkommen könnt, selbst in einer so lauten Nacht wie dieser. Ich bin sicherer aufgehoben, wenn ich allein gehe.«
»Solltest du nicht noch warten?« fragte Arutha.
Jimmy schüttelte den Kopf. »Wenn ich sie ausfindig machen kann, ehe sie überhaupt merken, daß sie entdeckt worden sind, können wir sie vielleicht ausräuchern, bevor sie wissen, wie ihnen geschieht. Die Leute machen manchmal seltsame Sachen, auch die Assassinen. Da heute das große Fest ist, werden ihre Wachen wahrscheinlich niemanden erwarten, der herumschnüffelt. Und eben wegen des Festes wird es die ganze Nacht laut bleiben. Jemandem in den Abwasserkanälen unter dem Haus werden seltsame und ungewohnte Geräusche nicht so auffallen wie sonst. Und wenn ich über der Erde weitersuchen muß, wird ein fremder Junge in Fischdorf vermutlich kaum Aufsehen erregen. Aber ich sollte sofort aufbrechen.«
»Du mußt es am besten wissen«, sagte Arutha. »Doch sie werden sofort reagieren, wenn sie merken, daß ihnen jemand hinterherspioniert. Falls auch nur ein Nachtgreifer einen Blick auf dich erhascht und dich erkennt, werden sie auf der Stelle losschlagen - und zwar gegen mich.«
Diese Tatsache schien Arutha nicht besonders zu beunruhigen.
Im Gegenteil, dachte Jimmy, er wirkte, als würde er die offene Konfrontation herbeisehnen. Nein, Jimmy wußte, was dem Prinzen auf der Seele lag, war die Sicherheit der anderen. »Das braucht Ihr mir nicht extra zu sagen. Der Angriff der Nachtgreifer steht allerdings doch sowieso aller Wahrscheinlichkeit nach heute abend bevor. Der Palast wimmelt ja nur so vor Fremden.« Jimmy sah aus dem Fenster; die späte Nachmittagssonne verschwand hinter dem Horizont. »Es ist jetzt fast sieben Uhr. Wenn ich einen Überfall auf Euch planen würde, dann ließe ich mir noch zwei oder drei Stunden Zeit, bis das Fest auf dem Höhepunkt ist. Die Akrobaten und die Gäste werden betrunken sein, und es wird ein ständiges Kommen und Gehen geben. Alle werden ordentlich dem Wein zugesprochen haben, müde von der langen Feier sein und sich in sehr lockerer Stimmung befinden. Aber viel länger würde ich nicht warten, denn danach könnte den Wachen ein spät eintreffender Gast verdächtig erscheinen. Ihr müßt nur gut aufpassen, dann seid Ihr auch in Sicherheit, während ich mich mal ein wenig nach den Nachtgreifern umsehe. Und sobald ich irgend etwas entdeckt habe, komme ich zurück und erstatte Bericht.«
Arutha gab seine Zustimmung, zu verstehen, und Jimmy machte sich auf. Trevor Hull und sein Erster Maat folgten ihm eilig und ließen den beunruhigten Prinzen mit seinen Gedanken allein. Arutha lehnte sich zurück, ballte die Hände zu Fäusten, drückte sie an die Lippen und starrte ins Leere.
Er war den Lakaien von Murmandamus am Schwarzen See, dem Moraelin, entgegengetreten, doch der letzte Kampf stand offenbar noch bevor. Arutha verfluchte sich dafür, daß er im vergangenen Jahr so selbstgefällig geworden war. Als er mit dem Silberdorn zurückgekehrt war, mit dem er Anita vor dem Gift der Nachtgreifer retten konnte, war er beinahe bereit gewesen, sofort wieder in den Norden aufzubrechen. Doch die Angelegenheiten am Hof, seine eigene Vermählung, seine Reise nach Rillanon zur Hochzeit seines Bruders mit Königin Magda, dann Lord Caldrics Beerdigung und die Geburt seiner Söhne, das alles war ihm in die Quere gekommen, und die Angelegenheit im Norden des Königreiches war nicht zu Ende gebracht worden. Hinter dem großen Gebirge lagen die Nordlande. Dort hatte der Feind seinen Sitz. Dort regierte Murmandamus über seine Truppen. Und von dort oben langte er hinunter nach Süden und griff in das Leben des Prinzen von Krondor, des Lords des Westens, ein. Langte nach ihm, dem Tod des Bösen, dem Mann, der laut Prophezeiung das Verderben des Dunklen Herrschers werden sollte. Wenn er lebte. Und wieder mußte Arutha eine Schlacht direkt vor seiner eigenen Haustür austragen. Er schlug sich mit der Faust in die Handfläche und fluchte leise. Sich selbst und allen Göttern, die zuhörten, schwor er, in dem Moment, in dem diese Angelegenheit in Krondor erledigt sei, würde er, Arutha conDoin, nach Norden aufbrechen und sich seinem Feinde stellen.
Die Dunkelheit verbarg Tausende von Schätzen inmitten einer Million Stücke wertlosen Abfalls. Das Wasser in der Kanalisation floß träge dahin, und wenn der Müll irgendwo hängenblieb, bildeten sich große Staus, sogenannte Tofs. Die Tofmänner durchsuchten diese Abfallberge und lebten
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