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Midkemia Saga 04 - Dunkel über Sethanon

Midkemia Saga 04 - Dunkel über Sethanon

Titel: Midkemia Saga 04 - Dunkel über Sethanon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Raymond Feist
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schrecklichen Traum gefangen zu sein, in einem, den er nicht abschütteln konnte. Nichts in seinem bisherigen Leben hatte ihn so tief getroffen wie der Mord an Arutha, und er konnte sich noch immer nicht damit abfinden. Nachts schlief er mehr als sonst, als stelle der Schlaf eine Zuflucht dar, und wenn er erwachte, war er nervös und begierig darauf, etwas zu tun, als würde ihn Beschäftigung von seinem Kummer ablenken. Er verdrängte den Gram und wollte sich später damit auseinandersetzen.
    Jimmy seufzte. Eines wußte der junge Mann jedenfalls: die Vorbereitungen für das Begräbnis nahmen verdammt viel Zeit in Anspruch. Laurie und Volney hatten den Aufbruch der Begräbnisprozession inzwischen schon zweimal verschoben. Die Bahre war bereits zwei Tage nach Aruthas Tod auf den Wagen gestellt worden, wo sie auf den Leichnam wartete. Der Tradition nach sollte sich die Prozession mit dem Prinzen innerhalb von drei Tagen nach Rillanon zur Familiengruft aufmachen, doch Anita hatte schon Tage gebraucht, um vom Besitz ihrer Mutter zurückzukehren. Dann mußte sie auf die anderen Adeligen warten, und im Palast herrschte ein großes Durcheinander, und so fort. Trotzdem, wußte Jimmy, würde er über diese Tragödie nicht hinwegkommen, ehe Arutha nicht fortgebracht worden war. Es war ihm einfach zu viel: Da lag der Leichnam nun in einer provisorischen Gruft, gar nicht weit von dem Ort, an dem der Junker jetzt saß. Er rieb sich die Augen, senkte den Kopf, und einmal mehr konnte er die Tränen nicht zurückhalten. In seinem bisherigen kurzen Leben hatte Jimmy nur einen einzigen Mann kennengelernt, der ihn so beeindruckt hatte. Arutha wäre eigentlich der letzte gewesen, der sich um das Schicksal eines jugendlichen Diebes hätte scheren müssen, doch er hatte es getan. Er hatte sich als wahrer Freund herausgestellt, und nicht nur das. Er und Anita waren für Jimmy fast wie eine Familie gewesen, eine Familie, die er nie gehabt hatte.
    Als es an der Tür klopfte, riß er den Kopf hoch und sah Locklear auf der Schwelle stehen. Jimmy winkte ihn herein, und der jüngere Junker setzte sich an die andere Seite des Schreibtisches. Jimmy schob ihm das Pergament zu. »Hier, Locky, mach du weiter.«
    Locklear überflog die Liste und nahm die Feder aus dem Halter. »Ist ja schon fast alles fertig, nur Paul liegt mit Blutandrang darnieder, und der Arzt möchte ihn ein paar Tage im Bett behalten. Er braucht Ruhe. Hast aber ganz schön gekritzelt. Ich glaube, ich schreibe alles noch einmal ab.«
    Jimmy nickte abwesend. Manchmal verspürte er trotz der tiefen Trauer eine seltsame Verärgerung. Seit drei Tagen nagte etwas in dem jungen Mann. Alle im Palast waren noch immer entsetzt über den Tod von Arutha, doch gelegentlich machte schon jemand ein falsche Bemerkung oder tat etwas, das nicht in die allgemeine Stimmung paßte. Jimmy hätte nicht genau sagen können, ob das überhaupt wichtig war. In Gedanken zuckte er mit den Schultern und schob seine Sorgen beiseite. Verschiedene Leute reagierten eben verschieden auf eine Tragödie. Manche, wie Volney und Gardan, vergruben sich in Arbeit. Andere, wie Carline, zogen sich zurück, um im Privaten zu trauern. Herzog Laurie benahm sich in etwa so wie Jimmy. Er verdrängte seinen Gram, doch irgendwann überkam er ihn doch. Plötzlich verstand Jimmy, was er so seltsam fand. Laurie war die ganze Zeit - von dem Moment an, als Arutha verwundet worden war, bis vor vielleicht drei Tagen - aufgeregt im Palast herumgelaufen. Jetzt war er fast ständig abwesend.
    Er sah Locklear dabei zu, wie er den Dienstplan abschrieb, und sagte: »Locky, hast du in letzter Zeit mal Herzog Laurie gesehen?«
    Locklear blickte nicht von seiner Arbeit auf und antwortete: »Heute morgen, ganz früh. Ich mußte den ganzen adligen Besuchern ihr Frühstück bringen, und da habe ich ihn aus dem Tor reiten sehen.« Er hob den Kopf, und auf seinem Gesicht zeichnete sich ein befremdlicher Ausdruck ab. »Er ritt durch die Seitenpforte.«
    »Warum verläßt er den Palast durch die Seitenpforte?« fragte Jimmy.
    Locklear zuckte mit den Schultern und wandte sich wieder dem Dienstplan zu. »Vielleicht führt die in die Richtung, in die er wollte.«
    Jimmy dachte nach. Welchen Grund konnte der Herzog von Salador haben, am Morgen der Begräbnisprozession ins Armenviertel zu reiten? Jimmy seufzte. »Ich werde noch ausgesprochen mißtrauisch auf meine alten Tage.«
    Locklear lachte - das erste fröhliche Geräusch im Palast seit Tagen. Dann,

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