Midnight Angel: Dunkle Bedrohung (German Edition)
ausgeprägten Oberlippenbart hatte.
Wie erfühlte man, wie jemand aussah?
Langsam begann sie zu tasten und sammelte sensorische Eindrücke.
Sie spreizte die Finger über seinen Hals, der muskulös, sehnig, angespannt war, fuhr an einer Ader entlang und folgte ihr bis unter den Kiefer und wieder zurück. Er hatte überall vortretende Adern wie olympische Athleten. Das hatte mit dem vermehrten Sauerstofftransport zu tun, wie sie mal gelesen hatte.
Unter der rechten Hand, mit der sie sich aufstützte, fühlte sie sein Leben im Takt des Herzens hindurchströmen.
Dann befühlte sie mit beiden Händen seine Kieferpartie.
Wieder hielt er sie sanft, aber unnachgiebig an den Handgelenken fest. Sie versuchte nicht, sich loszuwinden und die Hände wegzuziehen, sondern wartete nur ab.
»Ich habe … eine Narbe .« Er spie das Wort förmlich aus.
»Ach wirklich ?« Das war zu erwarten. Er war Berufssoldat gewesen, natürlich hatte er Narben. »Weißt du was? Das macht mir nichts aus .«
Sie hatte selbst welche, bei Gott. Nur waren ihre nicht zu sehen.
Geduldig wartete sie weiter. Er war es, der diese Intimität erlauben musste. Sie hatten sich geliebt – Sex gehabt, korrigierte sie sich. Es gab keine Stelle an ihr, die er nicht angefasst, gestreichelt, genossen hatte. Dennoch wühlte es ihn auf, dass sie sein Gesicht berühren wollte.
Sie konnte nur warten, während er mit seinen Dämonen kämpfte.
Damit kannte sie sich aus. Sie kämpfte selbst tagtäglich mit Dämonen.
Es war vollkommen still im Zimmer, bis auf ihr eigenes Atmen. Douglas atmete geräuschlos. Hätte sie nicht zwischen den Oberschenkeln das Heben und Senken seiner Brust gespürt, hätte sie meinen können, er sei tot.
»Mach weiter .« Mit einem kleinen Seufzer ließ er sie los und schob die Hände unter seinen Nacken. Sie setzte die Erkundung fort.
Er hatte tatsächlich eine Narbe, am linken Kiefer, eine große, hässliche, die von gemeinen Schmerzen zeugte. Sie verlief als glatter, haarloser Wulst an der Kieferkante entlang und hatte mehrere Querlinien. War sie genäht worden? Wenn ja, dann von einem sehr ungeschickten Arzt.
»Das muss ziemlich wehgetan haben .«
Er zuckte nur die Achseln.
Sie selbst hatte die bestmögliche ärztliche Behandlung bekommen. Sie hatte fast drei Monate mit Draht im Kiefer gelegen, und jetzt war nichts mehr davon zu sehen, wie man ihr sagte.
Douglas’ Narbe war sehr auffällig.
»Stört sie dich? Die Narbe ?«
»Nein .« Schroff und bündig.
Allegra ging mit dem Finger darüber, von einem Ende zum anderen und wieder zurück. Er lag dabei vollkommen still. Es war, als versuchte sie, die Erinnerung an die Schmerzen mit der Berührung auszulöschen, mit ihren Fingerspitzen zu absorbieren.
Schließlich wandte sie sich ihrer eigentlichen Absicht zu, ein geistiges Bild von seinem Gesicht zu erstellen. Wo sollte sie anfangen? Sie zeichnete als Erstes die Umrisse nach. Es war breit, das kantige Kinn war voller Stoppeln.
Sie schob die Finger in seine Haare. Sie waren kurz, aber nicht militärisch kurz.
»Welche Haarfarbe hast du ?«
»Aschblond .«
»Und die Augen ?«
»Hellbraun .«
Diese Mischung kam vermutlich von seinen slawischen Vorfahren, ebenso die ausgeprägten hohen Wangenknochen. Er hatte eine hohe, breite Stirn mit tiefen Falten. Auch in den Augenwinkeln hatte er tiefe Falten.
»Wie alt bist du ?«
»Achtunddreißig .«
Also waren es die Falten eines Mannes, der viel Sonne und Wind ausgesetzt gewesen war, nicht die eines Endfünfzigers.
Allegra tastete weiter über die Linien seines Gesichts, erfühlte die Beschaffenheit der Haut, zog die Augenbrauen und die Lippen nach. Seine Nase war breit, das Nasenbein eingedrückt.
»Deine Nase war mal gebrochen « , sagte sie.
»Ja, mehrmals .«
Es gelang ihr nicht so recht, alle Eindrücke zu einem Bild zusammenzufügen. Doch eines war klar: Das Gesicht passte zum Körper, und nicht nur in äußerlicher Hinsicht. Es war hart, schmucklos, absolut männlich.
Sie richtete sich auf und war sich ihrer beider Nacktheit plötzlich stark bewusst. Ihr wurde klar, dass ihre forschenden Berührungen immer zärtlicher geworden waren. Er hatte es sich reglos gefallen lassen, nur sein Penis hatte reagiert, als sie seinen Mund befühlte. Und das hatte wiederum sie erregt, sie weich und nass gemacht.
Tief im Innern machte sie sich für ihn bereit. Vielleicht dauerte es nur noch ein Weilchen, bis sie wieder …
Doch vorher musste sie noch etwas tun.
»Douglas
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