Midnight Angel: Dunkle Bedrohung (German Edition)
Melancholie erst erkannt,nachdem er gelüftet worden war. Wenn er sie vorher schon schön gefunden hatte, so fand er sie jetzt atemberaubend. Sie war eine Augenweide.
Er war nicht der Einzige, der das fand. Die Leute, denen sie begegneten, starrten sie an. Fast konnte er hören, wie sich in ihren Köpfen die Rädchen drehten, wenn sie zuerst Allegra, dann ihn anblickten und schaudernd zu ihr zurücksahen. Was tat eine wie sie mit so einem Kerl? Kowalski ging mit Gefechtsmiene neben ihr her und machte sich einen Spaß daraus, die Leute zu verschrecken.
Eine halbe Stunde waren sie jetzt unterwegs und gelangten allmählich zu einer Einkaufsstraße. Auf dem Bürgersteig wurde es voller.
Jeder starrte auf »die Schöne und das Biest « , die da entlangkamen. Wenn er Allegra dabei nicht im Arm gehalten hätte, hätten sie nicht diese Aufmerksamkeit auf sich gezogen, vermutete er. Dann hätte er ihr Chauffeur oder ihr Butler oder ihr Leibwächter sein können. Leibwächter. Ja. Das könnten sich die Leute vorstellen. Junge schöne Frau mit Schlägertyp – er musste der Leibwächter sein, richtig? Was sonst?
Doch da sie in seinem Arm ging und ihm bewundernd das Gesicht zuwandte, mussten sie ein Liebespaar sein. Das war ganz eindeutig, und es störte manche. Als hätte sich Frankensteins Monster an Prinzessin Leia rangemacht.
Er verschoss in einem fort Drohblicke, und die Leute stoben beiseite. Er hatte Allegra schließlich nicht entführt, er zwang sie nicht, mit ihm zu gehen, und sie genoss offensichtlich seine Gesellschaft. Wenn jemand ein Problem damit hatte – sollte er doch.
»Sind wir gleich am Lawrence Square ?«
Am Ende der Straße konnte Kowalski ihn schon sehen, einen kleinen begrünten Platz. »Ja, wir sind gleich da .«
»Wie spät ist es ?«
Himmel, die Uhrzeit. Auch darüber musste er sich noch Gedanken machen. Wie verfolgten Blinde die Uhrzeit? Er wollte wetten, dass es Uhren mit offenem Zifferblatt gab, die er ihr kaufen könnte, wenn sie sich nur nicht so darauf versteift hätte, nicht blind zu sein. »Drei Uhr .«
Sie ging langsamer und blieb dann stehen, Kowalski ebenfalls.
»Hier beginnt die Fußgängerzone, nicht wahr? Ohne Bordsteinkanten und Stufen ?«
»So ist es« , bestätigte er. »Direkt geradeaus gelangen wir auf den Platz .«
»Dann möchte ich mit dir Arm in Arm gehen wie ein normales Paar. Können wir? Und wenn etwas kommt, das ich wissen sollte, sagst du es mir ?«
Wie ein Paar.
Scheiße, was wusste er schon, wie man ein Paar abgab? Noch dazu ein normales Paar. Nichts. Aber einen Versuch war es wert. Er hatte schon immer schnell gelernt.
Er zog Allegras kleine Hand in seine Armbeuge und neigte sich zu ihr hinab. Sie schloss die Augen, und er küsste sie. Ihre Lippen waren warm, die Nasenspitze kalt. Sie öffnete sofort bereitwillig den Mund, doch er durfte sie nicht länger als eine Minute küssen, sonst wäre er nicht mehr fähig aufzuhören.
Als er den Kopf hob, lächelte sie ihn an.
»Wie ein Paar « , stimmte er mit belegter Stimme zu. »Dann los .«
12
Mit Douglas zu laufen war wie … wie fliegen.
Allegra hatte lange Spaziergänge immer geliebt. Wie es schien, war ihr auch dieses schlichte Vergnügen genommen worden. Wer wagte einen Spaziergang, wenn er dabei jeden Moment auf die Nase fallen konnte? Die paar Male, als sie mit Freunden mitgegangen war, hatte sie als Desaster erlebt. Sie hatten sie immer zu spät oder zu früh auf eine Stufe oder eine Ecke aufmerksam gemacht. Zuletzt war sie mit Rosas Schwester aus dem Haus gegangen und mit blauen Flecken wiedergekommen.
Douglas gab ihr dieses Vergnügen zurück. Als sie sah, dass sie sich auf ihn verlassen konnte, dass er sie rechtzeitig auf Hindernisse hinwies und sein starker Arm sie vor Stürzen bewahrte, fühlte sie sich, als hätte er sie aus verhassten Ketten befreit.
Es war so toll, sich wieder frei zu fühlen.
Falls – wenn! – sie das Augenlicht zurückbekäme, würde sie nie mehr etwas als selbstverständlich hinnehmen. Sie würde für alles dankbar sein, was sie tun konnte: im Park spazieren gehen, lesen, kochen – aus Stolz hatte sie es nicht zugeben wollen, weil Douglas so einen Wirbel darum gemacht hatte, aber der Gasherd machte ihr tatsächlich Angst. Selbst für Regenbögen und Sonnenuntergänge würde sie dankbar sein.
Und für Douglas.
In diesem Augenblick war sie dankbar für ihn und für alles, was er so großzügig für sie getan hatte. Ohne ihn hätte sie eine Nacht voller Albträume
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