Midnight Breed 02 - Gefangene des Blutes-neu-ok-10.11.11
völlig,
weil er so gierig war.
Ich habe mich auf seinen Bauch
gesetzt und ihm die Hände auf den Brustkorb gelegt. In Sekundenschnelle schoss
all meine Wut, all mein Zorn in meine Hände, wie elektrischer Strom durchfuhr
es mich, und dann ging es durch meine Fingerkuppen direkt in ihn hinein. Er
riss die Augen weit auf, und da begriff er, was ich von ihm wollte - das
zeigte mir der Ausdruck von Entsetzen und Verwirrung in seinen Augen. Aber es
war zu spät für ihn, er konnte nichts mehr tun. Ein heftiger Krampf, und sein
Herz hörte augenblicklich auf zu schlagen. Ich machte weiter, mit all meiner
Entschlossenheit, und ich spürte, wie das Leben aus ihm wich. Ich hab noch
zwanzig Minuten weitergemacht, nachdem er längst tot war, nur um sicherzugehen.“
Tess merkte gar nicht, dass sie
weinte, bis Dante ihr die Tränen aus dem Gesicht wischte. Sie schüttelte den
Kopf, und ihre Stimme würgte in ihrem Hals. „Ich bin noch in dieser Nacht von
zu Hause weggegangen. Ich kam hierher nach New England und blieb bei Freunden,
bis ich die Schule beendet hatte und ein neues Leben anfangen konnte.“
„Und deine Mutter?“
Tess zuckte die Achseln. „Ich
habe nie wieder ein Wort mit ihr gesprochen. Ihr war das egal. Sie hat nie
versucht, mich zu finden, und um die Wahrheit zu sagen, ich war froh darüber.
Wie auch immer, sie ist vor ein
paar Jahren gestorben, an einem Leberleiden, soweit ich weiß. Nach dieser Nacht
- nach dem, was ich getan hatte - wollte ich nur noch alles vergessen.“
Dante zog sie wieder an sich, und
sie sträubte sich nicht.
Vergrub sich in seiner Wärme,
erschöpft vom erneuten Durchleben des Albtraums ihrer Vergangenheit. Das alles
auszusprechen war hart gewesen, aber jetzt, wo es heraus war, empfand sie ein
Gefühl der Befreiung und lindernden Erleichterung.
Gott, war sie erschöpft. Es
schien fast, als hätten all die Jahre des Weglaufens und Versteckens sie auf
einmal eingeholt, und eine schwere Müdigkeit kam über sie.
„Ich habe mir geschworen, dass
ich meine Fähigkeit nie wieder einsetze, bei keinem Lebewesen. Es ist ein
Fluch, wie ich dir gesagt habe. Vielleicht verstehst du das jetzt.“
Tränen stiegen ihr in die Augen,
und sie ließ ihnen freien Lauf. Sie vertraute ganz darauf, dass sie in
Sicherheit war - zumindest im Augenblick. Dantes starke Arme lagen beschirmend
um sie. Seine sanft gemurmelten Worte waren eine Stütze, die sie mehr
benötigte, als sie je für möglich gehalten hätte.
„Du hast nichts Schlechtes
getan, Tess. Dieser menschliche Abschaum hatte keinerlei Recht auf das Leben,
das er führte. Du hast Gerechtigkeit geübt - nach deinen eigenen
Möglichkeiten, aber es war Gerechtigkeit. Zweifle nie daran.“
„Du denkst nicht, dass ich eine
Art … Monster bin? Kaum besser als er, da ich ihn umgebracht habe, kaltblütig
und bewusst?“
„Niemals.“ Dante hob ihr Kinn
mit seiner Hand und sah sie an. „Ich finde, dass du mutig bist, Tess. Ein
rächender Engel, so sehe ich dich.“
„Ich bin eine Missgeburt.“
„Nein, Tess. Nein.“ Er küsste
sie zärtlich. „Du bist erstaunlich.“
„Ich bin ein Feigling. Ich laufe
immer weg, genau wie du gesagt hast. Es stimmt. Ich habe Angst und laufe so
lange und so weit, dass ich nicht sicher bin, ob ich jemals wieder anhalten
kann.“
„Dann lauf zu mir.“ Dantes Blick
war ernst, als er ihr fest in die Augen sah. „Ich weiß alles über Angst, Tess.
Sie steckt auch tief in mir. Dieser ,Krampfanfall‘, den ich in deiner Klinik
hatte, war kein medizinisches Leiden, nicht im Entferntesten.“
„Was war es dann?“
„Der Tod“, entgegnete er dunkel.
„Schon solange ich denken kann, habe ich diese Attacken - diese Visionen. Es
sind die letzten Minuten meines Lebens. Es ist höllisch und kaum vorstellbar,
aber ich kann es sehen, als würde es wirklich passieren.
Ich fühle es, Tess. Das ist mein
Schicksal.“
„Das verstehe ich nicht. Wie
kannst du dir da so sicher sein?“
Sein Lächeln kam schief und
ironisch. „Ich bin sicher. Meine Mutter hatte ähnliche Visionen von ihrem Tod
und auch vom Tod meines Vaters. Und bei beiden trat der Tod exakt so ein, wie
es ihr in ihren Visionen vorher erschienen war. Sie konnte es weder ändern noch
abwenden. Also versuche ich, meinem Ende davonzurennen. Ich laufe schon mein
Leben lang davor weg. Ich habe mich immer isoliert, mich gegen alles
abgeschirmt, was mir Lust machen könnte, langsamer zu werden und wirklich zu
leben. Ich habe mir nie
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