Midnight Breed 03 - Geschöpf der Finsternis-neu-ok-13.11.11
ihm widerstehen.
Er kannte Elise erst seit ein
paar Tagen, und schon war sie ihm so nahe gekommen und hatte es geschafft,
einige der Schutzwälle einzureißen, die er in mühsamer, jahrhundertelanger
Arbeit um sich herum errichtet hatte. Er konnte nicht erlauben, dass die Dinge
zwischen ihnen eskalierten.
Und das würde er auch nicht.
Selbst wenn er für den Rest
ihres kurzen Aufenthalts in Berlin jeden freien Moment außer ihrer Sichtweite
verbringen musste.
Tegan hob den Kopf und stellte
mit einem barschen mentalen Befehl das Wasser ab. Er trat aus der Duschkabine
und schlang sich eines der dicken, schwarzen Handtücher um die Hüften. Als er
seine Suite betrat, sah er am Blinken seines Handys, dass ihn jemand angerufen
hatte. Er wählte, um seine Mailbox abzuhören, und hoffte, dass es Befehle aus
dem Hauptquartier waren, die ihn erwarteten; dass er dringend in Boston
gebraucht wurde und sich unverzüglich auf den Rückweg machen sollte.
Aber so viel Glück hatte er
nicht. Nicht, dass er damit rechnete, dass ihm das Glück auf irgendeine Art zu
Hilfe kam. Sein Glück hatte ihn schon vor langer Zeit verlassen.
Gideons Nachricht ertönte aus
dem Hörer, grimmig und knapp auf den Punkt gebracht: Er hatte erfahren, dass
jemand die Flugdaten des Ordens aus dem internationalen Flughafen von Boston
abgerufen hatte. Es bestanden keinerlei Zweifel daran, dass Marek hinter der
Sache steckte und dass vermutlich schon sehr bald in Berlin mit ihm zu rechnen
war, oder damit, dass er zumindest seine lokalen Kontakte anzapfen oder seine
Fühler ausstrecken würde, um herauszufinden, wie viel der Orden wusste, und was
sie mit diesem Wissen anfangen wollten.
Scheiße.
Jetzt war Tegan mehr denn je
davon überzeugt, dass sie mit Peter Odolf und dem Tagebuch, das Elise von
Mareks Kurier abgefangen hatte, einer großen Sache auf der Spur waren. Mehr an
Entschuldigung brauchte er nicht, um sich schnell trocken zu rubbeln,
anzuziehen und sich für einige Stunden in der Stadt auf Patrouille aufzumachen.
Als er sich Waffen um Hüften, Oberschenkel und Knöchel geschnallt hatte, griff
er sich seinen Mantel und ging die Haupttreppe des Herrenhauses hinunter.
Reichen kam gerade mit einem
jungen Paar aus einem mahagonigetäfelten Arbeitszimmer geschlendert, als sich
Tegan dem Foyer näherte. Der junge Mann errötete heftig unter seinen
wuscheligen blonden Haaren und murmelte Reichen seinen Dank für eine kürzlich
erfolgte Gefälligkeit zu, während seine hübsche, rotblonde Stammesgefährtin
strahlte, die Hände liebevoll auf ihren unübersehbar schwangeren Bauch gelegt.
„Gratuliere, ihr beiden“, sagte
Reichen auf Deutsch. „Ich freue mich darauf, euren strammen kleinen Sohn zu
begrüßen, wenn er da ist.“
„Vielen Dank, dass Sie bereit
sind, ihm Pate zu stehen“, sagte der junge Mann. „Das ist uns eine große Ehre.“
Die junge Frau stellte sich auf
die Zehenspitzen, um Reichen einen Kuss auf die Wange zu hauchen, dann nahm sie
ihren Gefährten bei der Hand und die beiden eilten davon, wobei sie einander
verliebt in die Augen sahen, als existierte um sie herum keine Außenwelt.
„Ach ja, die Liebe“, sagte
Reichen und grinste breit zu Tegan herüber, als das glückliche junge Paar
verschwunden war. „Möge sie uns beide mit ihren Stacheldrahtschlingen
verschonen, was?“
Tegan warf ihm einen schiefen
Blick zu, aber momentan war er mit dem Zynismus dieser Bemerkung völlig
einverstanden. Er kam die letzten paar Treppenstufen hinunter und sah, wie
Reichens Blick auf seine Hand wanderte, die auf dem Griff der geladenen Beretta
in seinem Schulterhalfter ruhte. Rohe Kratzer und Blutspuren bedeckten Tegans
Knöchel, ein Andenken an die Begegnung seiner Faust mit der Marmorverkleidung
der Duschkabine.
Der Deutsche hob eine dunkle
Augenbraue.
„Hatte oben einen kleinen
Zwischenfall“, sagte Tegan. „Ich bezahle dir den Schaden.“
Reichen wies das Angebot mit
einer raschen Handbewegung zurück. „Willst du mich beleidigen? Das kommt
überhaupt nicht in Frage. Ich bin doch derjenige, der dir immer noch etwas
schuldig ist.“
„Vergiss es“, sagte Tegan.
Reichens Dankbarkeit war ihm unangenehm, und inzwischen juckte es ihn förmlich,
aus dem Haus zu kommen, in dem Elise war und ihn vermutlich hasste.
„Ich muss ein paar Dinge in der
Stadt überprüfen. Uns wurde von einigen Aktivitäten in Boston berichtet, die
vermutlich bedeuten, dass wir hier Schwierigkeiten bekommen werden.“
Reichens belustigte Miene
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