Midnight Breed 03 - Geschöpf der Finsternis-neu-ok-13.11.11
hatte erkannt, dass sie nicht länger mit
Tegan hierbleiben und hoffen konnte, unbeschadet und mit intaktem Herzen aus
diesem Schlamassel hervorzugehen. Sie musste Berlin verlassen und nach Boston
zurück. Die wenigen Habseligkeiten, die sie dabeihatte, waren in eine kleine
Reisetasche gepackt, die aufbruchsbereit neben der Tür stand. Sie hatte
geduscht, sich angezogen und dann telefonisch ein Taxi bestellt, das sie zum
Flughafen bringen sollte.
Sie hatte darauf bestanden,
Tegan auf dieser Reise zu begleiten, in erster Linie wegen ihres Versprechens
gegenüber Camden, und weil sie ihren Teil dazu beitragen wollte, die
Geheimnisse aufzudecken, die sich vielleicht in dem alten Buch verbargen, das
Marek unbedingt haben wollte. Aber sowohl gegenüber Camden als auch vor sich
selbst versagte sie, in jeder Sekunde, die sie mit Gedanken an Tegan
verschwendete und an die Hoffnungslosigkeit, sich eine gemeinsame Zukunft mit
ihm auszumalen.
Sie hatte getan, weshalb sie
nach Berlin gekommen war. Peter Odolf würde befragt werden, und man würde Tegan
heute Abend in der Hochsicherheitsanstalt erwarten, mit oder ohne Elise als
seine persönliche Begleitung. Jetzt konnte sie ihre Zeit zu Hause, wo die
Rogues und deren Anführer immer noch eine unmittelbare, tödliche Bedrohung
darstellten, effizienter einsetzen.
Ein Klopfen ertönte, gefolgt von
der leisen Stimme einer Frau aus Reichens weiterer Verwandtschaft, die hier im
Dunklen Hafen lebte. „Hallo? Ich wollte Sie nicht stören …“
„Keine Sorge, ich bin schon
wach. Kommen Sie doch herein.“
Elise, die am Fenster stehen
geblieben war, nachdem sie die letzten Minuten damit verbracht hatte, eine
Furche in den Teppichboden zu laufen, ging durch den Raum zur Tür, öffnete sie
und erwartete zu hören, dass ihr Taxi angekommen war. Die junge
Stammesgefährtin, die auf dem Gang wartete, lächelte ihr schüchtern zu und
hielt ihr ein schnurloses Telefon entgegen.
„Ein Anruf für Sie“, sagte sie.
„Wollen Sie ihn annehmen?“
„Natürlich.“ Die andere Frau
entfernte sich den Gang hinunter, und Elise hob das Telefon ans Ohr. „Hallo?
Elise Chase am Apparat.“
Einen Augenblick lang herrschte
Stille in der Leitung, dann hörte sie die Stimme von Peter Odolfs Gefährtin.
„Irina hier - wir haben uns gestern in der Anstalt getroffen?“
„Ja, natürlich. Ist etwas nicht
in Ordnung?“
„Nein, nein, alles in Ordnung.
Ich hoffe, es stört Sie nicht, dass ich Sie angerufen habe. Dr. Kuhn hat mir
gesagt, wo ich Sie erreichen kann …“
„Aber nein, nicht im
Geringsten.“ Elise ging in ihr Gästezimmer zurück und setzte sich auf die
Bettkante. „Was kann ich für Sie tun, Lina?“
„Ich habe heute etwas gefunden
und frage mich, ob es Ihnen vielleicht weiterhelfen könnte.“
„Was ist es denn?“
„Nun, ich habe ein paar von
Peters Sachen eingelagert und dabei einen Schuhkarton mit persönlichen
Gegenständen aus dem Besitz seines verstorbenen Bruders gefunden. Die meisten
sind ganz banale Dinge … Fotos, Schmuck, Schreibzeug mit Monogramm, so was
halt. Aber ganz unten in der Schachtel waren ein paar handgeschriebene Briefe,
eingewickelt in eine Stickarbeit. Elise, diese Briefe, die Peters Bruder
aufgehoben hat
… er muss Wochen dazu gebraucht
haben, sie zu schreiben, aber es steht nur unsinniges Gefasel drin. Ich bin mir
nicht sicher, aber ich glaube, es könnten dieselben seltsamen Sachen sein, die
Peter angefangen hat zu schreiben, in der Zeit, bevor er zum Rogue wurde.“
„Oh, mein Gott.“
„Meinen Sie, diese Briefe
könnten Ihnen nützlich sein?“
„Das würde ich gerne
herausfinden.“ Erregung breitete sich in Elise aus, als sie einen
Kugelschreiber und Zettel aus ihrer Handtasche kramte. „Wären Sie denn bereit,
sie mir zu überlassen?“
„Ja, natürlich. Deshalb habe ich
Sie doch angerufen.“ Elise sah ihre Reisetasche an und biss sich auf die
Unterlippe. In die Staaten konnte sie jederzeit zurück. Diese vielversprechende
neue Information war jetzt wichtiger. „Ich kann mit dem Taxi in ein paar
Minuten bei Ihnen sein, Irina. Geben Sie mir Ihre Adresse, und ich komme, so
schnell ich kann.“
Ein cremefarbener Mercedes
wartete im Leerlauf am Ende der eingezäunten Auffahrt, die bereits seit dem
Morgengrauen überwacht wurde. Von seinem Beobachtungsposten in einigen hundert
Metern Entfernung, wo er verborgen im dichten Grün des angrenzenden Waldes saß
und durch einen hochauflösenden Feldstecher spähte, sah der Lakai, wie
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