Midnight Breed 04 - Gebieterin der Dunkelheit-neu-ok-14.11.11
bald genug erfahren“, sagte er leise, ging zur Tür und verließ das Zimmer.
Er schloss
die Tür und drehte den Schlüssel um. Alleine und verwirrt blieb sie zurück und
war sich auf einmal sehr sicher, dass sich der weitere Verlauf ihres Lebens nun
unwiderruflich verändert hatte.
9
Eine
Stammesgefährtin.
Madre de
Dios, das hatte er nun gar nicht erwartet. Das kleine purpurfarbene
Muttermal auf Dylan Alexanders schlankem Nacken änderte alles. Die Träne, die
in die Wiege einer zunehmenden Mondsichel fiel, war etwas, das in der Natur
nicht allzu oft vorkam. Und sie bedeutete nur eines.
Dylan Alexander
war eine Stammesgefährtin.
Sie war eine
Menschenfrau, aber mit den spezifischen, extrem ungewöhnlichen
Bluteigenschaften und der DNA, die ihre Zellsubstanz mit der des Stammes
kompatibel machte. Frauen wie sie waren selten, und wenn Rios Spezies von ihrer
Existenz erfuhr, ehrte und beschützte sie sie wie Blutsverwandte.
Das mussten
sie auch. Ohne Stammesgefährtinnen, um den Samen zukünftiger Vampirgenerationen
auszutragen, würde Rios Spezies aufhören zu existieren. Es war der Fluch des
Stammes, dass alle Abkömmlinge seiner hybriden Rasse männlich waren - eine
genetische Anomalie, die entstand, wenn sich die außerirdischen Zellanteile der
Vampire mit denen der seltenen Menschenfrauen mischten, die ihre Kinder
austragen konnten.
Frauen wie
Dylan verdienten Ehrerbietung, statt wie Beute verfolgt und gehetzt und unter
Todesangst entführt zu werden. Man behandelte sie mit großem Respekt, statt sie
gegen ihren Willen wie Gefangene einzusperren, wie luxuriös auch immer der
Käfig sein mochte.
„Criso en
cielo“, murmelte Rio laut, als er die glänzende Mahagonitreppe des Dunklen
Hafens hinunterstürmte, hinab ins Foyer . „Un qué desastre.“
Ja, das war
allerdings ein Desaster. Er allein schon war ein Desaster - und zwar eines, das
sich mit jeder Minute verschlimmerte. Seine Haut fühlte sich vor Hunger überall
zu eng an, und er brauchte erst gar keinen Blick auf die Dermaglyphen auf
seinem Unterarm zu werfen, um zu wissen, dass sie inzwischen nicht mehr ihre
übliche Hennaschattierung hatten, sondern rötlich golden waren, die Farbe
seines immer stärker werdenden Bedürfnisses, Nahrung zu sich zu nehmen. In
seinen Schläfen setzte ein nervtötendes Pulsieren ein, Vorbote einer nahenden
Ohnmacht, wenn er sich nicht bald hinlegte oder Nahrung zu sich nahm, um die
Ohnmacht abzuwenden.
Aber
Schlafen kam jetzt nicht in Frage und genauso wenig die Jagd nach einem
menschlichen Blutwirt. Er musste seine Meldung beim Orden machen und die
anderen von dieser neuesten Verkomplizierung einer Situation unterrichten, die
schon von Anfang an völlig aus dem Ruder gelaufen war. Und das war ganz allein
sein Werk.
Er nahm
mehrere Treppenstufen gleichzeitig und wünschte sich, jetzt einfach weitergehen
zu können, durch den Haupteingang des Dunklen Hafens ins helle, tödliche
Tageslicht hinaus. Aber er hatte dieses Durcheinander angerichtet, und,
verdammt noch mal, er würde das auch wieder in Ordnung bringen. Er war keiner,
der Mist baute und ihn dann von anderen wegräumen ließ.
Als er auf
den Marmorboden der Eingangshalle trat, öffnete Andreas Reichen gerade von
innen die Flügeltüren einer der vielen Räume im Erdgeschoss. Er war nicht
allein. Ein nervös wirkender Bewohner des Dunklen Hafens mit einem wuscheligen
rotblonden Haarschopf war bei ihm. Die beiden kamen aus dem dunkel getäfelten
Arbeitszimmer und unterhielten sich flüsternd miteinander. Reichen sah sofort
auf und blickte Rio in die Augen. Er murmelte seinem zivilen Begleiter etwas
Beruhigendes zu und gab ihm einen sanften Klaps auf die Schulter. Der jüngere
Mann nickte und machte dann, dass er fortkam. Dabei warf er nur einen
verstohlenen Blick auf den Krieger mit dem vernarbten Gesicht, der in der Nähe
stand.
„Das war
mein Neffe, er brachte mir unangenehme Neuigkeiten aus einem der anderen
Dunklen Häfen der Region“, erklärte Reichen, sobald sie allein in der
Eingangshalle standen. „Offenbar hat es dort vor einigen Nächten einen Vorfall
gegeben. Ein hochrangiges Stammesmitglied wurde ohne Kopf aufgefunden. Zum
Unglück für ihn und seine Familie geschah dieser Mord in einem Blutclub.“
Rio grunzte
mitleidlos. Blutclubs waren als barbarischer Untergrundsport schon seit
Jahrzehnten verboten, und der Großteil der Vampirbevölkerung war mit dem Verbot
einverstanden. Aber es gab doch immer noch einige ihrer Spezies, die sich
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