Midnight Breed 04 - Gebieterin der Dunkelheit-neu-ok-14.11.11
weiß
sie, was das für sie bedeutet? Was das für uns bedeutet?“
„Nein. Noch
nicht.“ Rio nahm das schnurlose Telefon auf Reichens Schreibtisch und drückte
die Acht. Dann begann er, die Geheimnummer des Hauptquartiers zu wählen. „Sie
weiß überhaupt nichts. Aber ich habe das Gefühl, dass ich es ihr bald erklären
werde.“
„Dann lasse
ich der Dame wohl am besten auch einen Cocktail bringen. Einen starken.“
Reichen ging auf die offen stehenden Flügeltüren des Arbeitszimmers zu. „Ich
werde Sie wissen lassen, wenn ihr Essen fertig ist. Wenn Sie sonst noch etwas
brauchen, fragen Sie nur, und Sie bekommen es.“
„Danke.“
Während die
schweren hölzernen Türflügel mit einem leisen Klicken ins Schloss fielen,
wandte Rio seine ganze Aufmerksamkeit dem Klingeln des Telefons am anderen Ende
der Leitung zu. Dann setzte der elektronische Anrufbeantworter des
Hauptquartiers ein, und er wählte die Durchwahl zum Techniklabor.
Gideon nahm
sofort ab. „Schieß los, Kumpel.“
„Ich bin bei
Reichen“, sagte Rio. Die Information war eigentlich überflüssig, denn das
System des Hauptquartiers musste seine Telefonnummer inzwischen schon
identifiziert haben. Aber Rios Kopf dröhnte schon zu sehr, um
Nebensächlichkeiten verarbeiten zu können.
Er musste
die nötige Informationen loswerden, solange er noch zusammenhängend reden
konnte. „Die Fahrt war ereignislos, und ich bin mit der Frau in Reichens
Dunklem Hafen.“
„Hast du sie
irgendwo gesichert?“
„Klar“,
erwiderte Rio. „Sie dreht Däumchen in einem Gästezimmer im Obergeschoss.“
„Gut. Gute
Arbeit, Mann.“
Angesichts
dieses unverdienten Lobes biss er die Zähne zusammen. Die Kombination seines
wütenden Hungers mit dem Schwindelgefühl in seinem Kopf bewirkte nun, dass er
keuchend Luft holen musste. Mit einem leisen Fluch stieß er den Atem wieder
aus.
„Alles in
Ordnung, Rio?“
„Sicher.“
„Von wegen“,
sagte Gideon. Der Vampir war nicht nur ein Genie, wenn es um Technologie ging.
Er hatte auch die unheimliche Fähigkeit, eine Fuhre Mist zu riechen, wenn sie
vor ihm abgeladen wurde. Selbst dann noch, wenn sich der Haufen Mist auf einem
anderen Kontinent befand. „Was ist los mit dir? Du klingst überhaupt nicht gut,
Amigo.“
Rio rieb
sich die dröhnenden Schläfen. „Mach dir um mich keine Sorgen. Wir haben hier
drüben ein größeres Problem. Die Reporterin ist eine Stammesgefährtin, Gideon.“
„Ach
verflixt. Ist das dein Ernst?“
„Ich hab ihr
Mal mit eigenen Augen gesehen“, erwiderte Rio.
Gideon
murmelte etwas Unverständliches, das sich aber dringlich anhörte, offenbar war
er nicht allein im Labor. Das tiefe Knurren einer kühlen Gen-Eins-Stimme, das
darauf antwortet, konnte nur zu Lucan gehören, dem Gründer und Anführer des
Ordens.
Na toll, dachte
Rio. Aber da er sowieso nicht vorhatte, diese Neuigkeiten dem höchstrangigen Ordenskrieger
vorzuenthalten, konnte er ihm nun genauso gut auch gleich alle Fakten liefern.
„Lucan ist
hier“, informierte ihn Gideon, für den Fall, dass es Rio entgangen war. „Bist
du allein da drüben, Rio?“
„Mutterseelenallein
in Reichens Arbeitszimmer.“
„In Ordnung.
Warte mal eben. Ich hol dich auf den Videoschirm.“
Rios Mund
verzog sich grimmig. „Dacht' ich mir schon, dass du das machst.“
Er sah auf,
als der riesige Flachbildschirm gegenüber sich mit einem Blinken einschaltete.
Als wäre er ein Fenster in einen Nebenraum, füllte er sich mit einem
Echtzeitbild von Gideon und Lucan, die im Techniklabor des Bostoner
Hauptquartiers des Ordens saßen. Gideons Augen blickten eindringlich, als er
über den Rand seiner hellblau getönten Brille sah, sein kurzer blonder Schopf
stand wie üblich in alle Richtungen.
Auch Lucan
blickte ernst drein. Die schwarzen Augenbrauen gerunzelt, die hellgrauen Augen
schmal, lehnte er in einem der großen Ledersessel, die um den Konferenztisch
des Ordens standen.
„Die Frau
ist hier im Dunklen Hafen sicher, und ihr wurde kein Haar gekrümmt“, begann Rio
ohne Vorrede. „Ihr Name ist Dylan Alexander, und soweit ich das ihrem Laptop
entnehmen konnte, lebt und arbeitet sie in New York City. Ich schätze sie auf
Ende zwanzig, aber sie könnte auch schon dreißig sein ...“
„Rio.“ Lucan
beugte sich vor und sah eindringlich auf den Videoschirm, der Rios Bild nach
Hause projizierte. „Zu ihr kommen wir gleich. Was ist los mit dir, Mann? Du
hast seit Februar den Kontakt abgebrochen, und sei mir nicht böse,
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