Midnight Breed 04 - Gebieterin der Dunkelheit-neu-ok-14.11.11
die
Unverschämtheit, seinen Fotografen in Prag versetzt zu haben. Dylan übersprang
den Rest seiner Tirade und ging zur nächsten Nachricht. Es war eine zwei Tage
alte Nachricht ihrer Mom, die sich einfach nur melden und sagen wollte, dass
sie sie liebte und hoffte, dass sie sich gut amüsierte. Sie klang müde und so
erschöpft, dass sich Dylans Herz zusammenzog.
Und noch
einmal ihr Chef. Dieses Mal sogar noch wütender. Er würde ihr das Honorar des
Fotografen vom Gehalt abziehen, und ihre E-Mail, in der sie um noch etwas
Extraurlaub im Ausland bat, betrachtete er als ihre Kündigung. Dylan war
hiermit ab sofort arbeitslos.
„Na toll“,
murmelte sie, als sie zum nächsten Anruf weiterklickte.
Irgendwie
konnte sie sich nicht dazu aufraffen, sich über den Verlust ihres
Arbeitsplatzes aufzuregen, aber der Verlust ihres Gehaltschecks würde sie
empfindlich treffen, und das schon sehr bald. Es sei denn, sie würde rasch
etwas Besseres, Größeres finden. Etwas Monumentales.
Einen echten
Knüller mit Biss - oder vielmehr mit Fangzähnen.
„Nein“,
sagte sie sich scharf, bevor die Idee in ihrem Kopf vollständig Gestalt
annehmen konnte.
Diese Story
konnte sie jetzt nicht bringen. Nicht, wenn sie immer noch mehr Fragen hatte als
Antworten - wenn sie selbst doch Teil dieser Story geworden war, so bizarr das
auch klang.
Und dann war
da noch Rio.
Wenn sie
einen Grund brauchte, ihr neu gewonnenes Wissen über die Existenz einer anderen
Spezies, die neben der Menschheit lebte, für sich zu behalten, dann war er das.
Sie wollte ihn nicht verraten oder seine Spezies auch nur irgendwie in Gefahr
bringen. Das kam nicht mehr in Frage, jetzt, wo sie ihn besser kannte. Jetzt,
wo sie begann, etwas für ihn zu empfinden, wie gefährlich das letztendlich auch
sein mochte.
Was gerade
zwischen ihnen geschehen war, hatte sie schwer erschüttert. Der Kuss war
Wahnsinn gewesen. Das Gefühl von Rios Körper, wie er sich so innig an ihren
presste, war das Schärfste gewesen, was ihr je untergekommen war. Und das
Gefühl seiner Zähne - seiner Fangzähne, wie sie über die empfindliche Haut
ihres Halses strichen, war sowohl angsterregend als auch erotisch gewesen.
Hätte er sie wirklich gebissen? Und wenn, was für Auswirkungen hätte es auf sie
gehabt?
So schnell,
wie er aus dem Raum geflohen war, würde sie das wohl nie erfahren. Und
wirklich, bei diesem Gedanken sollte sie sich eigentlich nicht so leer fühlen.
Was sie
jetzt tun musste, war, hier rauszukommen - wo immer sie hier auch war, zurück
in ihr altes Leben. Zurück zu ihrer Mom, für die sie da sein wollte und die
inzwischen vermutlich schon ganz, verrückt war vor Sorgen um sie, jetzt, da
Dylan sich drei ganze Tage nicht mehr gemeldet hatte.
Die nächsten
drei Anrufe kamen vom Zentrum für Straßenkids, alle von gestern und gestern
Abend. Es waren keine Nachrichten hinterlassen worden, aber sie waren so kurz
nacheinander gekommen, dass es dringend sein musste.
Dylan
drückte die Kurzwahltaste der Nummer ihrer Mutter und wartete. Es läutete und läutete,
niemand nahm ab. Ihre Mutter ging auch nicht ans Handy Das Herz schlug Dylan
bis zum Hals, als sie die Nummer des Zentrums wählte. Es war die Durchwahl
ihrer Mom, aber es war Janet, die abnahm.
„Guten
Morgen, Sharon Alexanders Apparat.“ „Janet, hi. Ich bin's, Dylan.“
„Oh ...
hallo. Liebes. Wie geht's dir?“ Die Frage klang seltsam vorsichtig, so als
wüsste Janet schon - oder dachte zumindest, dass sie es wüsste -, dass Dylan
vermutlich keinen guten Tag hatte. „Bist du im Krankenhaus?“
„Ähm ...
nein.“ Dylan rutschte das Herz in die Hose. „Was ist los? Ist es Mom? Was ist
passiert?“
„Oh mein
Gott“, murmelte Janet. „Das heißt, du weißt es noch nicht? Ich dachte, Nancy
würde dich anrufen ... Wo bist du, Dylan? Bist du wieder zu Hause?“
„Nein“,
sagte sie und merkte kaum, dass sie redete, so kalt war der Schmerz, der ihre
Brust durchfuhr. „Nein, ich bin ... ähm, ich bin immer noch unterwegs. Wo ist
meine Mom, Janet? Ist sie okay? Was ist mit ihr passiert?“
„Sie hat
sich schon nach der Benefizkreuzfahrt neulich etwas angeschlagen gefühlt, und
gestern Nachmittag ist sie hier im Zentrum zusammengebrochen. Dylan, Liebes, es
geht ihr gar nicht gut. Wir haben sie ins Krankenhaus gebracht, und die haben
sie gleich dabehalten.“
„Oh Gott.“
Dylans ganzer Körper fühlte sich betäubt, erstarrt an. „Ist es ein Rückfall?“
„Anscheinend
ja, das sagen sie.“
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