Midnight Breed 05 - Gefaehrtin der Schatten-neu-ok-15.11.11
verzogen. „Vor einigen Jahren hat mir eine dumme
junge Frau ähnliche Vorhaltungen gemacht. Sie dachte, sie könnte an mein Pflichtgefühl
appellieren. Oder vielleicht an mein Gnade." Er lachte leise und wandte
seine Aufmerksamkeit wieder dem Feuer zu, um wieder in den verkohlenden
Scheiten zu stochern. „Zweifellos erinnerst du dich daran, wie ihr das bekommen
ist."
„Ich
erinnere mich", antwortete Lex vorsichtig, überrascht, dass seine Kehle
sich plötzlich wie ausgetrocknet anfühlte.
Im Norden
von Russland, mitten im tiefsten Winter. Lex war ein kleiner Junge, noch keine
zehn Jahre alt, aber der Mann in seinem ärmlichen Haushalt, so lange er sich
erinnern konnte. Seine Mutter war alles, was er hatte. Die Einzige, die wusste,
was er wirklich war, und ihn trotzdem liebte.
Er hatte
sich Sorgen gemacht in der Nacht, als sie ihm sagte, dass sie ihn zum ersten
Mal mitnehmen würde, damit er seinen Vater kennenlernte. Sie hatte gesagt, Lex
sei ihr Geheimnis gewesen - ihr gehüteter kleiner Schatz. Aber der Winter war
hart, und sie waren arm. Das Land war in Aufruhr, es war nicht sicher für eine
Frau, ein Kind wie Lex allein aufzuziehen. Sie brauchten jemanden, der sie
beschützte. Sie hoffte verzweifelt darauf, dass Lex' Vater sich um sie kümmern
würde. Sie versprach ihm, dass er sie mit ausgebreiteten Armen bei sich
aufnehmen würde, wenn er seinen Sohn kennengelernt hatte.
Sergej Jakut
hatte sie mit kalter Wut empfangen und ihnen ein schreckliches, unvorstellbares
Ultimatum gestellt.
Lex
erinnerte sich, wie seine Mutter Jakut anflehte, sie aufzunehmen ... und
vollkommen ignoriert wurde. Er erinnerte sich daran, wie die stolze,
wunderschöne Frau vor Jakut auf die Knie fiel und ihn anflehte, wenn er sich
schon nicht um sie beide kümmern wollte, dann doch wenigstens um Alexej.
Ihre Worte
klangen Lex selbst jetzt noch in den Ohren:
„Er ist
doch dein Sohn! Bedeutet er dir gar nichts? Hat er nicht etwas mehr
verdient?"
Wie schnell
die Situation danach außer Kontrolle geraten war.
Wie leicht
es Sergej Jakut gefallen war, sein Schwert zu ziehen und die Klinge sauber
durch den Hals von Lex'
wehrloser
Mutter zu ziehen.
Wie brutal
seine Worte gewesen waren - dass in seinem Haus nur Platz für Soldaten war, und
dass Lex sich in diesem Augenblick entscheiden musste: dem Mörder seiner Mutter
zu dienen oder neben ihr zu sterben.
Wie leise
Lex' Antwort durch sein Schluchzen gewesen war.
Ich
werde dir dienen, hatte er gesagt und gefühlt, wie ein Stück seiner Seele
ihn verließ, als er voll Grauen auf die verstümmelte, blutige Leiche seiner
Mutter starrte. Ich werde dir dienen, Vater. Wie kalt die Stille
war, die darauf folgte. So kalt wie ein Grab. „ Ich bin dein Diener",
sagte Lex jetzt laut, und jetzt waren es die schrecklichen Erinnerungen, die
ihm das Kinn auf die Brust drückten, und weniger seine Ehrerbietung für den
Tyrann, der ihn gezeugt hatte. „Meine Treue hat immer dir gehört, Vater. Ich
lebe nur, um dir zu dienen."
Eine
plötzliche Hitze, so stark, dass sie sich wie eine offene Flamme anfühlte, fuhr
gegen die Unterseite von Lex' Kinn.
Erschrocken
hob er den Kopf, zuckte mit einem zischenden Aufschrei vor dem Schmerz zurück.
Er sah Rauch, der kräuselnd vor seinen Augen aufstieg, und roch den süßen,
leicht ekelerregenden Gestank von versengtem Fleisch - seinem eigenen.
Sergej Jakut
stand vor ihm, den langen, eisernen Schürhaken in der Hand, die Spitze rot
glühend, und daran hing noch ein aschiger weißer Hautfetzen, den er aus Lex'
Gesicht gerissen hatte.
Jakut
grinste und entblößte die Spitzen seiner Fangzähne.
„Ja, Alexej,
du lebst, um mir zu dienen. Denk immer daran.
Nur weil
zufällig mein Blut in deinen Adern fließt, heißt das nicht, dass ich Bedenken
hätte, es zu vergießen."
„Natürlich
nicht", murmelte Lex, die Zähne zusammen gebissen vom mörderischen Schmerz
seiner Brandwunde.
Hass kochte
in ihm hoch über die Beleidigung, die er nur schlucken konnte, und wegen seiner
eigenen Machtlosigkeit, als der Stammesvampir ihn mit seinem finsteren Blick
herausforderte, ihn anzugreifen.
Schließlich
ließ Jakut von ihm ab. Er nahm eine braune Leinentunika von einem Stuhl und
fuhr hinein. Seine Augen glühten immer noch vor Bluthunger und Lust. Er ließ
seine Zunge über Zähne und Fangzähne gleiten. „Da du so wild darauf bist, mir
zu dienen, geh und hol mir Renata. Ich brauche sie jetzt."
Lex biss die
Zähne so fest zusammen, dass sie ihm fast im Mund
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