Midnight Breed 05 - Gefaehrtin der Schatten-neu-ok-15.11.11
Drohung, bevor sie aus dem Schuppen gerauscht war, völlig ernst
gemeint hatte.
Der
angeschlagene Teil seines Egos versuchte, ihn mit der Möglichkeit zu trösten,
dass sie vielleicht generell nicht auf Männer stand. Oder dass sie vielleicht
einfach so kalt war, wie Lex es von ihr zu denken schien, eine geschlechtslose,
frigide Soldatin, die nur zufällig das Gesicht eines Engels und einen
begehrenswerten Körper hatte, der einen an alle möglichen Sünden denken ließ,
eine verlockender als die andere.
Was Frauen
anging, besaß Nikolai einen unbekümmerten Charme; das war keine Prahlerei,
sondern eine Erkenntnis, zu der er nach jahrelanger Erfahrung gelangt war. Er
genoss leichte, unkomplizierte Eroberungen - je kürzer seine Affären waren,
desto besser. Jagd und Kampf waren amüsant, aber die hob man sich lieber für
den wirklichen Kampf auf, für blutige Schlachten mit den Rogues und anderen
Feinden des Ordens. Das waren die Herausforderungen, die er am meisten genoss.
Warum
kämpfte er also gerade gegen einen boshaften Drang an, Renata nachzugehen und
zu sehen, ob er nicht etwas von dem Eispanzer abtauen konnte, der sie umgab?
Weil er ein
Idiot war, darum. Ein Idiot mit einem tobenden Ständer, und anscheinend auch
noch lebensmüde.
Zeit, sich
wieder dem eigentlichen Problem zuzuwenden.
Was sein
Körper ihm sagte, war nicht von Bedeutung - genauso wenig wie das, was er in
Miras Augen gesehen hatte. Er hatte hier einen Job zu erledigen, eine Mission
für den Orden, und das war der einzige Grund, warum er hier war.
Vorsichtig
wickelte Niko Renatas Dolche in ihre Hülle aus Seide und Samt ein und legte das
kleine Bündel auf den Strohballen, damit sie es fand, wenn sie zurückkam, um
die Dolche und ihre Schuhe zu holen, die sie ebenfalls hiergelassen hatte.
Er verließ
den Zwingerschuppen und ging in die Dunkelheit hinaus, um seine Durchsuchung
des Grundstücks wieder aufzunehmen. Eine Mondsichel hing hoch oben im
Nachthimmel, von dünnen, anthrazitgrauen Wolken verschleiert. Die warme
Mitternachtsbrise strich leise durch die stacheligen Tannen und hohen Eichen
der umgebenden Wälder. Viele Düfte mischten sich in dieser feuchten Sommerluft:
das würzige Aroma von Kiefernharz, der modrige Geruch von beschatteter Erde und
Moos, die mineralische Frische von frischem, plätscherndem Wasser aus einem Bach,
der irgendwo durch das Grundstück floss, nicht weit von dort, wo Niko stand.
Nichts
Unerwartetes. Nichts Außergewöhnliches.
Bis ...
Nikolai hob
das Kinn und drehte den Kopf leicht nach Westen. Seine Sinne erfassten etwas
äußerst Unerwartetes.
Etwas, das
hier nicht hingehörte, nicht hingehören sollte. Es war Tod, den er roch.
Der Geruch
war schwach, alt ... aber unverkennbar.
Er lief los,
folgte seiner Nase tiefer in den Wald hinein. In einigen hundert Metern
Entfernung vom Jagdhaus fiel der Boden abrupt ab. Niko blieb stehen, als er den
Ort erreichte, und nun begannen seine Nasenlöcher von altem Verwesungsgestank
zu brennen. Zu seinen Füßen fiel der von Laub und Ranken bedeckte Waldboden zu
einer steilen Schlucht hin ab. Nikolai sah in die Spalte hinunter, und ihm
wurde übel, noch bevor seine Augen das Gemetzel erfasst hatten.
„Hölle noch
mal", murmelte er leise. Die Schlucht war eine Todesgrube. Menschliche
Skelette, Dutzende von unbestatteten Leichen, einfach wie Abfall übereinandergekippt
und vergessen. So viele, dass es lange dauern würde, sie zu zählen. Erwachsene.
Kinder. Ein Töten, das bei den Opfern keine Unterschiede machte, keine Gnade
kannte und das das Werk von Jahren gewesen sein musste.
Der
Knochenhaufen glänzte weiß im schwachen Mondlicht, ein verworrenes
Durcheinander von Beinen und Armen. Schädel starrten zu ihm herauf, Münder
klafften in schaurigen, stummen Schreien.
Nikolai
hatte genug gesehen. Er trat von der Kante der Schlucht zurück und zischte
wieder einen Fluch in die Dunkelheit. „Was zur Hölle war hier los?"
Aber sein
Bauchgefühl sagte es ihm.
Himmel, da
konnte es wenig Zweifel geben.
Blutclub.
Eine
schwarze Welle von Wut und Ekel brandete in ihm auf. Blutclubs waren illegal,
und er hatte plötzlich den überwältigenden Drang, jeden einzelnen Vampir, der
an diesem Massenmord beteiligt gewesen war, in Fetzen zu reißen. Nicht dass er
das Recht dazu hatte, selbst als Ordenskrieger nicht. Er und seine Brüder
hatten nicht viele Freunde bei den Verwaltungsinstitutionen des Stammes, am
allerwenigsten bei der Agentur, der gesetzgebenden Instanz
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