Midnight Breed 05 - Gefaehrtin der Schatten-neu-ok-15.11.11
zersprangen. Wortlos ging er
aus dem Raum, den Rücken aufrecht, und nun blitzten seine eigenen Augen
bernsteingelb vor Wut. Der bestürzte Gesichtsausdruck des Wächters an der Tür,
der unbehaglich zu ihm hinübersah, als er den Geruch von versengtem Fleisch
roch und die Hitze von Lex' kochender Wut spürte, entging ihm nicht.
Seine Brandwunde
würde heilen - das tat sie sogar schon, die Regenerationsfähigkeit seines
beschleunigten Stoffwechsels hatte die versengte Haut bereits ersetzt, als Lex
in den Hauptraum des Jagdhauses trat. Renata kam gerade von draußen herein. Sie
sah Lex und blieb stehen, dann drehte sie sich um, als wollte sie ihm aus dem
Weg gehen. Das hätte sie wohl gern, verdammt.
„Er will
dich", bellte Lex vom anderen Ende des Raumes.
Es war ihm
egal, wie viele andere Wächter ihn hören konnten. Alle wussten, dass sie Jakuts
Hure war, also gab es keinen Grund, so zu tun, als ob es anders wäre. „Er hat
mir befohlen, dich reinzuschicken. Er erwartet deine Dienste."
Kalte,
jadegrüne Augen richteten sich auf ihn. „Ich habe draußen trainiert. Ich muss
mir erst Dreck und Schweiß abwaschen."
„Er sagte jetzt, Renata." Ein abgehackter Befehl, von dem er wusste, dass ihm Folge
geleistet werden würde. Dieser seltene Triumph verschaffte ihm nicht wenig
Befriedigung.
„Gut."
Sie zuckte mit den Schultern und tappte barfuß hinüber.
Ihr ausdrucksloses
Gesicht, als sie näher kam, zeigte deutlich, dass es ihr völlig egal war, was
andere von ihr dachten, am allerwenigsten Lex. Und dieser völlige Mangel an
angebrachter Scham stachelte ihn an, sie noch weiter zu demütigen. Er
schnüffelte in ihre Richtung, mehr um der Geste willen. „Dass du so dreckig
bist, wird ihn nicht stören.
Jeder weiß
doch, die dreckigen Huren sind die besten."
Renata
verzog bei dieser vulgären Bemerkung keine Miene. Sie konnte ihn mit einem
übersinnlichen Energiestoß niederstrecken, wenn sie wollte - tatsächlich hoffte
Lex fast, dass sie es tun würde, wenn auch nur, um zu beweisen, dass er sie
verletzt hatte. Aber der kühle Blick, den sie ihm zuwarf, sagte ihm, dass die
Anstrengung sich wegen ihm nicht lohnte.
Sie schritt
mit einer Würde an ihm vorbei, die Lex nicht begreifen konnte. Er sah ihr nach
- alle Wächter in der Nähe taten das -, wie sie auf Sergej Jakuts Räume zuging,
so ruhig und edel wie eine Königin auf ihrem Weg zum Schafott.
Lex hatte
wenig Mühe, sich den Tag auszumalen, an dem er derjenige sein würde, der die
Befehlsgewalt hatte über alle, die in diesem Haushalt dienten, einschließlich
der hochnäsigen Renata. Natürlich wäre die Schlampe nicht mehr so hochnäsig,
wenn ihr Geist, ihr Wille und ihr Körper erst einmal ganz ihm gehörten. Eine
Lakaiin, die seinen niedersten Launen ausgeliefert war ... und auch denen der
anderen Männer unter seinem Befehl.
Ja, sann Lex
düster, König zu sein würde ihm verdammt großen Spaß machen.
8
Nikolai zog
einen von Renatas Dolchen aus dem dicken Holzpfosten, in den sie ihn geworfen
hatte. Er musste es ihr lassen, sie hatte voll ins Schwarze getroffen. Wäre der
Pfosten ein Mensch mit den üblichen langsamen menschlichen Reflexen, hätte
Renata ihn mit diesem Wurf aufgespießt. Er lachte leise darüber, als er den
Dolch mit den drei anderen auf seine elegante Hülle zurücklegte. Es waren
schöne Waffen, glänzend und perfekt ausgewogen, offenbar Handarbeit. Niko ließ
seinen Blick über die gravierten Griffe aus Sterlingsilber gleiten.
Das
verschnörkelte Muster schien aus Ranken und Blüten zu bestehen, aber als er
genauer hinsah, bemerkte er, dass auf jeder der vier Klingen auch ein einzelnes
Wort eingraviert war, sorgfältig eingearbeitet in ihr kunstvolles Muster:
Glaube. Mut. Ehre. Opfer.
Der
Ehrenkodex eines Kriegers?, fragte er sich. Oder waren das etwa Renatas
persönliche Maximen?
Nikolai
dachte daran, wie sie sich geküsst hatten. Nun, etwas einseitig war es schon
gewesen, als er sich mit der Eleganz eines Güterzuges auf ihren Mund gestürzt
hatte. Er hatte gar nicht vorgehabt, sie zu küssen. Ja, wem genau wollte er
hier etwas vormachen? Er hätte nicht aufhören können, auch wenn er es versucht
hätte. Nicht dass das eine Entschuldigung war. Und nicht dass Renata ihm eine
Chance gegeben hätte, irgendwelche Entschuldigungen zu stammeln.
Immer noch
konnte Niko das Entsetzen in ihren Augen sehen, die unerwartete, aber
unverkennbare Abscheu über das, was er getan hatte. Immer noch spürte er, dass
sie ihre
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