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Mieses Karma

Titel: Mieses Karma Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Safier
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weiter, mit durchhängendem Magen. Ich hatte schon lange nichts mehr zu essen bekommen
     und träumte davon, aus dem Labyrinth rauszukommen und was zu futtern. Da bog ich um eine Ecke und sah zwei Futternäpfe stehen.
     Einer war mit Gras gefüllt, der andere mit Mortadella.
    Als Meerschweinchen roch das Gras für mich unglaublich lecker, und man hätte mich mit der Mortadella jagen können. Dabei war
     ich früher als Mensch ganz und gar keine Vegetarierin, wie man unschwer an meinen Hüften erkennen konnte, deren Biomassenzuwachs
     beeindruckend war. Doch nun war alles anders: Allein der Gedanke an die Unmengen Fleisch, die ich als Mensch gegessen hatte,
     ließ mich erschaudern. Vor allen Dingen, weil ich mich jetzt fragte, ob ich reinkarnierte Menschen verputzt hatte: War das
     Schweinefleisch süßsauer ein wiedergeborener Chinese? War die Currywurst vielleicht meine verstorbene Tante Kerstin? War die
     im Napf liegende Mortadella vielleicht mal Konrad Adenauer?
    Diese Reinkarnationssache warf immer mehr unangenehme Fragen auf. Ich versuchte, weder an Tante Kerstin noch an Adenauer,
     noch an geraspelte Chinesen in süßsaurer Soße zu denken. Dafür schaute ich mir die beiden Näpfe genauer an: Wie kam Alex als
     Tester nur auf den bescheuerten Gedanken, dass irgendein Meerschweinchen sich für die Mortadella entscheiden würde?
    |134| Ich ging an den Napf mit Gras und bekam wieder einen Stromschlag.
    «Au!», schrie ich, und mir war nun klar, wie er auf den bescheuerten Gedanken kam: Nur bei Mortadella gab es keinen Stromschlag.
    «Ich hasse dich!», schrie ich ihn an. «Ich hätte dich schon viel früher mit Daniel Kohn betrügen sollen!»
    Alex wartete darauf, ob ich an die Mortadella gehen würde. Das Ganze war ein absolut   …
    «Sadistischer Scheiß!», vollendete Alex meinen Gedanken.
    Ich war überrascht.
    «Tut mir leid, ihr Kleinen. Ich nehm euch da raus», sagte er, «das Ganze hier ist ein blöder Fehler. Ich kündige!»
    «Schon nach einem Tag?», fragte Bodo, der offenbar gerade den Raum betreten hatte.
    «Ich kann so was einfach nicht machen», erklärte Alex.
    «Du machst doch hier nur ein bisschen Verhaltensforschung mit leichten Stromstößen. Was meinst du wohl, was ich alles mit
     den Viechern veranstalte, drüben bei der Diabetesstudie.»
    «Ich weiß, was du da tust», sagte Alex.
    «Und es ist für einen guten Zweck», konterte Bodo.
    «Mag sein. Aber ich bin einfach nicht der Typ für Tierversuche.»
    «Ich dachte, deine Frau hat dir keine Kohle hinterlassen?», hakte Bodo nach, und in seinem Tonfall lag etwas Fieses.
    «Lieber zieh ich in einen Plattenbau, als das hier weiterzumachen!», konterte Alex sauer. Seine Stimme war jetzt wieder fester.
     Er hatte seine alte Sicherheit wiedergefunden.
    «Es bleibt dabei. Ich kündige!»
    |135| Mein Herz hüpfte vor Freude.
    «Und die Meerschweinchen nehm ich mit.»
    Mein Herz hüpfte nicht nur, es sprang Trampolin.
    «Vergiss es. Ich brauche sie dringend heute noch drüben in der Diabetesforschung. Deswegen bin ich rübergekommen», sagte Bodo.
    Jemand zog das Trampolin unter meinem Herzen weg.
    «Eine meiner Testgruppen ist heute durch einen blöden Fehler abgekratzt. Wenn du die mir nicht überlässt, verlieren wir in
     der Diabetesstudie einen entscheidenden Tag.»
    Alex überlegte. Dann antwortete er schlechtgelaunt: «Gut, dann nimm sie!»
    Und mein Herz knallte mit einem «Platsch!» neben dem weggezogenen Trampolin auf dem Boden auf.
    Alex verließ den Raum, ohne sich von Bodo zu verabschieden.
    «Ich hol euch nachher ab», sagte Bodo zu uns und ging ebenfalls raus.
    Man konnte Alex ja verstehen: Wir waren für ihn nur Meerschweinchen. Und bei der Studie ging es um kranke Menschen. Wie gesagt:
     Man konnte ihn verstehen. Man musste es aber nicht. Und ich tat es auch nicht. Ich war einfach wahnsinnig sauer auf ihn. Er
     hatte mich gequält und dann in den Fängen eines Sadisten zurückgelassen. Und er ließ zu, dass Nina Lilly vom Kindergarten
     abholte. Zu denken, dass ich vor kurzem noch phantasiert hatte, dass Alex und ich nochmal ein Paar werden könnten   …
     
    Ich war so wütend auf Alex, dass ich ausrastete und mich mehrfach mit dem ganzen Gewicht meines Meerschweinchenkörpers gegen
     mein Spiegelbild warf. Bis der Spiegel zersprang. Dahinter stand Casanova.
    |136| Er fragte interessiert: «Was bedeutet das: ‹Diabetesforschung›?»
    «Dass man mit uns Versuche anstellt, damit kranken Menschen geholfen wird», erklärte

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