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Mieses Karma

Titel: Mieses Karma Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Safier
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Schmerz
     hinwegzukommen.
    Genau, Daniel war kein Typ, der ins Kloster geht oder auch nur Spuren von Melancholie zeigt. Er würde seinen Schmerz über
     meinen Tod tief in seinem Herzen begraben und sich ins lustvolle Leben stürzen, um die Leere in seinem Inneren irgendwie zu
     füllen.
    Ja, das war die Erklärung, warum er mit so einer Tussi durch die Gegend fuhr.
    Mein Herz machte wieder «pitter-di-patter, pitter-di-patter, pitter-di-patter   …»
    Da sah ich, wie Daniel ihr nun eindeutig die Hand in den Schoß legte.
    Mir wäre die Mönchvariante des Trauerns lieber gewesen.
    Daniels Hand krabbelte nun zum Rockansatz der Blondine, die darauf noch aufgeregter an seinem Ohr knabberte.
    |148| Da erkannte ich: Ich machte mir was vor. Er vermisste mich nicht.
    Und jetzt schämte ich mich nicht nur, dass ich mir gewünscht hatte, dass er sich nach mir sehnt, sondern auch, dass ich so
     albern war, es mir zu wünschen, obwohl ich ihn mit einer anderen Frau sah und alle Fakten dagegen sprachen. Ich dachte immer,
     ich wäre weniger naiv.
    Die Ampel schaltete auf Grün, und der Laster fuhr los. Meine Vorderpfoten glitschten an der Scheibe ab. Ich konnte mein Gleichgewicht
     nicht halten und knallte vom Armaturenbrett auf den Boden, direkt neben die Pedale. Elle war mittlerweile so an uns gewöhnt,
     dass es ihm nichts ausmachte, wenn Meerschweinchen zwischen seinen nackten Füßen herumpurzelten.
    Ich rappelte mich wieder auf, leckte meine schmerzende Pfote und dachte: Ich muss Daniel Kohn ein für alle Mal vergessen.
    Da war mir natürlich schon klar, dass dies völlig unmöglich sein würde.
     
    Elle hielt bei einer Tankstelle an, die ganz in der Nähe von unserem Haus lag. Ich versuchte, meine Gedanken von Daniel Kohn
     abzuziehen und mich auf die Flucht zu konzentrieren.
    Als Elle die Tür aufmachte, bedeutete ich meinen Geschwistern loszuhoppeln. Wir sprangen aus dem Laster. Elle war verblüfft
     und rief: «Hey, wo wollt ihr denn hin?» Mir tat es leid, dass ich ihm das Ganze nicht erklären konnte. Er war wirklich ein
     feiner Kerl, auch wenn man ihm am liebsten mal eine Fußpflege spendiert hätte.
    Ich führte die Meerschweinchen durch die Straßen von Potsdam, sagte ihnen, wie sie eine Straße überqueren mussten, |149| um nicht überfahren zu werden, und erreichte schließlich die Allee, in der unser Haus stand.
    Glücklich lief ich darauf zu, in meinem Schlepptau Schopenhauer, Marilyn, Casanova und   … keinen Depardieu?!?
    Ich war noch nicht ganz auf der anderen Straßenseite angekommen, da drehte ich mich um und sah, wie Depardieu mitten auf dem
     aufgeplatzten Pflaster der Allee stehengeblieben war, weil dort ein Gänseblümchen wuchs. Ein einziges kleines, beklopptes
     Gänseblümchen. Depardieu mümmelte es mit dem gleichen glückseligen Gesichtsausdruck, den Buddha auf seiner LS D-Wiese gehabt hatte. Mit einem Unterschied: Auf Buddha war kein Renault Scenic zugerast.
    «Depardieu!», schrie ich.
    Keine Chance – wenn er mümmelte, vergaß er die Welt um sich herum.
    «DEPARDIEU!», schrie ich nochmal. Jetzt sahen auch die anderen, die mittlerweile auf dem Bürgersteig hockten, was los war.
     Nur die Fahrerin, eine verzweifelte Hausfrau, sah ihn nicht. Sie war viel zu sehr damit beschäftigt, ihre Kinder auf der Rückbank
     anzublöken.
    Wir schrien jetzt alle: «DEPARDIEU!!!»
    Aber der mümmelnde Kerl hörte nicht. Und plötzlich lief Casanova los, um Depardieu aus dem Weg zu schubsen. 14
    Ich dachte bei mir: «Er schafft es! Er schafft es! Er schafft es   …»
    Er schaffte es nicht.
     
    |150| Casanova stieß Depardieu zwar weg, konnte sich aber selbst nicht mehr helfen und wurde von dem Renault Scenic erfasst. Der
     Signore wurde durch die Luft gewirbelt und knallte direkt neben mir auf die Straße. 15
    Casanova war tot. Ich stand da wie gelähmt. Und das war nicht gut. Denn von der anderen Seite kam ein VW Polo. Er raste direkt
     auf mich zu. Viel zu schnell, um auszuweichen. Ich betete in den wenigen Sekunden, die mir verblieben, dass der Fahrer – ein
     junger Typ Marke Versicherungskaufmann – mich noch rechtzeitig sehen würde.
    Meine Gebete wurden erhört.
    Er sah mich.
    Ich konnte es an seinem Gesicht erkennen.
    Er sah mich wirklich!
    Aber das half mir nicht.
    Denn er bremste nicht für wiedergeborene Menschen.
     
     
    14
    Aus Casanovas Erinnerungen: Mein Begehr war es, gutes Karma zu sammeln. Und nebenbei bei dem Meerschweinchenweibchen Marilyn
     Eindruck zu schinden.
    15
    Aus

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