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Milchbart (German Edition)

Milchbart (German Edition)

Titel: Milchbart (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jutta Mehler
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kommst!
    Ächzend versuchte Fanni, sich aufzurichten.
    Sie war auf den Knien, als Seibold zurückkam. Er hatte eine Rolle Klebeband dabei.
    Eine Minute später waren Fannis Handgelenke wie auch ihre Fußknöchel so fest aneinandergepresst und zusammengekleistert, dass ihnen nicht der kleinste Spielraum blieb.
    »Sprudel weiß, wo ich bin«, keuchte Fanni, als Seibold ein weiteres Stück Klebeband abriss.
    »Das macht aber nichts«, antwortete Seibold kalt. »Sie haben mich besucht, wir haben uns unterhalten, und dann sind Sie wieder gegangen. Leider hatten Sie auf dem Heimweg einen tragischen Unfall – oder war es Selbstmord? Ja, Selbstmord war es. Sie sind während unseres Gesprächs schon so deprimiert gewesen. Vermutlich weil Sie begriffen hatten, dass Sie mit dem Mord an meiner Frau nicht davonkommen würden.« Sein Mund verzog sich zu einem diabolischen Grinsen. »Sie sind doch die Hauptverdächtige in dem Fall oder etwa nicht?« Er hielt das Stück Klebeband an beiden Enden und zog es straff. »Sie werden Ihren Wagen geradewegs in die Donau steuern, meine Liebe.«
    »Welchen Wagen?«, fragte Fanni und bemühte sich, ihrer Stimme einen festen Ton zu geben.
    Seibold ließ ein raues Lachen hören. »Den, der dort unten im Halteverbot steht. Ich habe Sie nämlich ankommen sehen. Wissen Sie, manchmal schaue ich stundenlang aus dem Fenster.«
    Fanni räusperte sich, um den Kloß aus ihrem Hals zu bekommen. »Sie werden mich nicht hinunterschaffen können.«
    Erneut lachte Seibold. »Marita hat da neulich eine sehr praktische Anschaffung gemacht.« Damit klebte er den Bandstreifen quer über Fannis Mund und verließ abermals das Zimmer.
    Diesmal kehrte er mit einem Hartschalenkoffer zurück.
    Meine Fresse, das Ding ist gut achtzig Zentimeter breit und sechzig hoch! Da passt du glatt hinein, Fanni!
    Seibold legte den Koffer auf den Boden und klappte ihn auf. Dann begann er an Fanni zu ziehen und zu zerren, bis er sie trotz ihrer verzweifelten Versuche der Gegenwehr in Embryostellung in der einen Schalenhälfte untergebracht hatte. Im nächsten Augenblick klappte er die andere Hälfte darüber und klickte die Verschlüsse zu.
    Fanni rang verzweifelt nach Luft.
    Ruhig, du musst ganz ruhig atmen, dann besteht keine Erstickungsgefahr. Seit wann sind ganz normale Reisekoffer luftdicht?
    Der Koffer wurde aufgestellt und kippte in die Schräge, als Seibold den Bügel an der Schmalseite ergriff, um ihn vorwärtszurollen. Das bewirkte, dass Fanni nun mit dem Kopf nach unten hing. Ihre Stirn schlug schmerzhaft an eine Metallschiene, als der Koffer den Flur entlangholperte.
    Du musst bei Bewusstsein bleiben, Fanni. Deine einzige Chance zu entfliehen wird kommen, wenn Seibold dich hinters Steuer manövriert. Bevor er den Wagen in die Donau schickt, wird er die Fesseln lösen müssen, um einen Selbstmord vortäuschen zu können!
    Das Rumpeln und Holpern hörte auf. Alles war still.
    Worauf wartet er?
    Fanni lauschte und vernahm gedämpft das Schellen der Türglocke, das offenbar schon zuvor zu hören gewesen war und Seibolds Vorhaben unterbrochen hatte.
    Plötzlich nahm der Koffer seine Fahrt wieder auf, schlingerte in rasantem Tempo um etliche Kurven, polterte über zwei Absätze, sodass Fanni speiübel wurde –
    Außerdem wird es ein paar ganz hässliche Beulen geben!
    – und fiel nach einem letzten heftigen Stoß um, wobei Fannis Hinterkopf hart aufschlug.

12
    Fanni fühlte sich geradezu wohlig. Sie lag auf einer weichen Unterlage, eine flauschige Decke deckte sie zu. Zwar schmerzte ihr Kopf, aber nicht so sehr, dass ihr Wohlgefühl ernstlich davon beeinträchtigt worden wäre.
    Störender war da das etwas zu grelle Licht, das durch ihre geschlossenen Lider drang.
    Sie öffnete die Augen und blinzelte verwirrt.
    Bist du in einem Panoptikum gelandet?
    Man könnte es meinen, dachte Fanni.
    Über ihrem Kopf schwebte ein Gesicht, das gleich darauf verschwand, um einem anderen Platz zu machen, das ebenfalls verschwand, wonach ein drittes erschien.
    »Fanni!«
    »Fanni!«
    »Frau Rot!«
    Drei verschiedene Stimmen. Drei verschiedene Gesichter.
    Das erste Gesicht tauchte wieder auf, der Mund öffnete sich, und eine strenge Stimme sagte: »Fanni, sag, dass du weißt, wer ich bin!«
    Hans Rot ist ja wohl schwer zu verkennen!
    »Hans«, krächzte Fanni, denn ihre Kehle fühlte sich wund an.
    »Herrgott noch mal«, sagte Hans Rot. »Er hatte dich in einem Koffer verstaut.«
    Fanni fuhr hoch. »Seibold war es. Er ist Maritas Mörder.

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