Milchfieber
der Hitze der Siestazeit mit Raul am Strand spazieren gegangen.
Natürlich war ihr das von ihrem Vater verboten worden. Sie hätte sofort nach dem Markt zurück nach Hause gemusst. Er wollte verhindern, dass sie auch nur einen einzigen Centavo ausgeben konnte.
Und das mit Raul! Nicht auszudenken, dachte Raffaelita, wenn er das herausbekäme.
Ihr Vater war aber um die Mittagszeit, wenn er Siesta halten konnte, meist schon so betrunken, dass er die Uhrzeiten verwechselte und so ihr Zuspätkommen nicht auffiel.
Ruben Segundo arbeitete auf einer Zuckerrohrplantage und bewirtschaftete nebenher wie fast alle Dorfbewohner ein paar spärliche Quadratmeter Land. Er besaß eine alte Kuh, die fast keine Milch mehr gab und ein paar große Schweine. Muttersauen, deren Ferkel oft wenige Tage nach der Geburt aus Milchmangel sang- und klanglos eingingen. Sein Leben drehte sich zuerst um die Sorge, nicht genug Geld zu verdienen, um seinen täglichen Rum kaufen zu können und dann darum, Futter für die großen Sauen und die Kuh zu beschaffen. Nach dem Tod seiner Frau hatte er sich alleine um die kleine Raffaelita kümmern müssen. Mittlerweile war sie schon fast erwachsen geworden und er musste sich eifersüchtig eingestehen, dass sie begann, sich ihre Freiheiten zu nehmen.
An langen Abenden, wenn die mörderische Hitze, die den ganzen Sommer unbarmherzig das Land verbrannte, noch immer über dem Dorf lag, saß er nach der Arbeit auf der Veranda seines alten Hauses. Stundenlang wippte er mit dem Schaukelstuhl bis es stockfinster war. Dieses monotone Geräusch hatte Raffaelita früher in den Schlaf gesungen. Heute versuchte er damit die hungrigen Schweine zu übertönen, die in ihrem Stall rumorten.
Seit Monaten hatte es nicht mehr geregnet in dieser abgelegenen kubanischen Provinz. Die Sonne schien ohne Nachsicht auf das Land und die Pflanzen verdorrten, sobald sich die ersten Keimlinge aus der betonharten Erde gekämpft hatten. Meistens kam es jedoch gar nicht so weit. Die paar Salate, die Raffaelita heute auf den Markt gebracht und verkauft hatte, waren das Resultat ihres Ehrgeizes, dem trockenen Boden doch etwas abzuringen. Jeden Tag hatte sie vor der Schule Wasser aus dem fast ausgetrockneten Fluss nach Hause geschleppt und die Pflanzen begossen, die im Schatten hinter dem Haus gediehen.
Heute hatte sie sie geerntet und stolz auf dem Markt verkauft.
Dem Mann der Nachbarin war sie dabei nur knapp entkommen. Er war schon so alt, dass er nicht mehr auf der Plantage arbeiten musste. Er verbrachte seine Tage in dem Schatten seiner Veranda oder er streifte durch das Dorf. Seinen gierigen Blicken versuchten alle jungen Mädchen und Frauen auszuweichen, auch Raffaelita vermied es, ihm alleine zu begegnen, wann immer sie es einrichten konnte. Andauernd versuchte er, sie zu berühren. Wenn er die Gelegenheit hatte, legte er seinen Arm zudringlich um sie und versuchte, sie an sich zu ziehen. Einmal, es war schon dunkel und Raffaelita beeilte sich, dass sie von ihrer Freundin schnell nach Hause kam, überraschte er sie und griff ihr an die Brust. Sie fürchtete sich vor ihm, seine Annäherungen waren anders, aufdringlicher und vulgärer als das, was sich die Jungs herausnahmen, wenn sie am Samstagnachmittag mit anderen an der Bushaltestelle standen, sich unterhielten und warteten, dass irgendetwas passierte.
„Ich liebe Dich“, hatte ihr Raul am Strand ins Ohr geflüstert und sie hatte ihn lachend weggeschoben, als er mit seiner Hand unter ihr Hemd rutschen wollte. Aber schließlich hatte sie es zugelassen und wäre dabei fast zersprungen in einer Mischung aus Aufregung, Scham und Lust.
Nach dem Abendbrot, das heute aus vertrocknetem Weißbrot bestand, weil wieder das ganze Geld für Rum ausgegeben worden war, machte sie noch einen Spaziergang durchs Dorf. Sie hoffte auf einen Blick von Raul, aber sie traf nur ihre Freundin. Es war noch nicht richtig dunkel, als sie ins Bett ging, der Mond stand tief am Himmel und tauchte das Land in mildes Licht. Vor dem Einschlafen, – das hatte sie beschlossen, als sie Raul nicht getroffen hatte – wollte sie wenigstens noch ein wenig an den Strandspaziergang von heute Mittag denken.
Es dauerte länger als sonst, bis sie endlich einschlafen konnte. Die Geräusche des Hauses, das ebenso unter der Hitze zu ächzen schien wie die Menschen und das aggressive Gekreische der Schweine waren nicht das, was sie nicht einschlafen ließ. An diese Geräusche hatte sie sich längst gewöhnt. Heute kam
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