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Milchmond (German Edition)

Milchmond (German Edition)

Titel: Milchmond (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Herfried Loose
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ihm zu reden. Ich werde ihm klarmachen, was ich zu geben bereit bin und was nicht. Ich kann seine Verdrängungstaktik nicht weiter unterstützen und will das auch nicht mehr. Ich liebe ihn eben nicht mehr so, wie es eine Ehefrau tun sollte. Mir wird klar, dass Mitleid allein keine Basis sein kann, da hattest du schon recht. Hätte ich nicht zuvor dich kennen gelernt, so würde ich diese Empfindungen und Zweifel nicht haben, das weiß ich auch genau. Es hilft aber nichts, es ist, wie es ist! Wir alle müssen uns den Tatsachen stellen, und ich fange jetzt damit an. Liebster Tobias, wenn du mich noch genauso lieb hast, wie vor diesem ganzen Schlamassel, dann melde dich doch bitte bei mir. Ruf mich an, schreib mir, du musst keine Rücksicht mehr auf Jörg nehmen. Ich werde ihm noch heute zu verstehen geben, dass es kein 'Zurück' geben kann. Wenn diese Woche hier um ist, wird sich Jörgs und meine Beziehung zueinander ändern müssen. Hoffentlich bewirkt das für ihn keinen Rückschlag, denn der erste Inselaufenthalt hat ihm sehr gut getan, und die Tabletten, die er nimmt, haben augenscheinlich sehr gut angeschlagen. Ich habe zwischenzeitlich mit seiner Ärztin gesprochen, die ihn sogar in einer Studie unterbringen will, wo er vielleicht doch noch größere Chancen auf Besserung haben könnte. Jörg hat sich aber noch nicht entschieden, ob er daran teilnehmen will. Die Ärztin rät ihm, möglichst viele Abwechslungen durch Reisen und Unternehmungen anzustreben, um sich abzulenken. Sie hält ihn für suizidgefährdet. Ich weiß nicht, so sehe ich das eigentlich nicht, aber ich bin ja auch kein Arzt. Wenn wir zurück sind, werde ich mit ihr noch einmal reden, damit ich sie in unsere Situation einweihen kann. Ich will sie mit ins Boot nehmen, damit sie auch mithelfen kann, Jörg seelisch abzustützen, weil ich meine bisherige Rolle nicht mehr weiterzuspielen gedenke. Es ist eine prekäre Situation. Bisher scheint es so, als würde er sich ein bisschen erholen (kann aber auch täuschen). Jedenfalls hat die Ärztin ihn ermuntert, seine Beine wieder mehr zu gebrauchen und sich nicht nur der Bequemlichkeit des Rollis hinzugeben. Das freut mich für ihn. Vielleicht wird er ja doch noch eine Zeit ohne meine Hilfe auskommen können, wer weiß? Ich jedenfalls kann nicht mehr! Vielleicht bin ich schlecht, ich fühle mich jedenfalls so. Gott möge mir verzeihen, so es einen gibt. Ich weiß nur, dass ich so nicht weitermachen kann.
Ich will mit dir zusammenleben, Tobias! Ich habe noch nie einen Menschen so geliebt wie dich! Hoffentlich geht nicht alles kaputt, ich habe so ein ungutes Gefühl.
Ich küsse dich, und bitte verzeih mir, dass ich dir das alles angetan habe.
Gibt es noch eine Chance für uns?

Ich liebe dich
deine Julia

Tobias ließ den Brief sinken. Alles würde wieder gut werden, das wusste er jetzt. Julia liebte ihn doch noch und hatte sich durch diesen Brief entschieden, ihren eingeschlagenen Weg zu ändern und sich zu ihm zu bekennen. Er freute sich so - das bedeutete, er würde sie bald wieder in seinen Armen halten, den Duft ihrer Haare, ihrer Haut einatmen, sich mit ihr zusammen wieder ganz fühlen. Mit einem Mal wusste er genau, was zu tun war.
   Er griff zu seinem Handy und rief sie an. Keine Sekunde wollte er seine Liebe länger warten lassen. Sein Herz polterte heftig vor Freude. Nur ein Freizeichen ertönte, dann vernahm er die so lange vermisste Stimme. Während sie miteinander sprachen, fühlten sie sich wieder ganz nah. Julia war überglücklich über seinen Anruf und darüber, dass er noch genauso fühlte wie sie. Nach dem Gespräch am Sonntagabend zwischen ihr und ihrem Mann schien der Haussegen nun endgültig schief zu hängen. Spätestens am kommenden Samstag würden sie zurück in Hamburg sein, vielleicht sogar früher.
   Tobias erwähnte nichts von seinem Verdacht, ließ sich jedoch möglichst viele Umstände dieses Falles, für den er ihn mittlerweile hielt, schildern. Insbesondere Julias Gespräch mit der Ärztin kam ihm verdächtig vor.

Die verbleibende Zeit bis zu ihrer Rückkehr wollte er nutzen, um herauszufinden, was diese dubiosen Telefonate von seiner Verbindungsliste zu bedeuten hatten. Er nahm sie noch einmal zur Hand: Das Gespräch, dessen merkwürdiges Ende er zufällig mitbekommen hatte, war das Gespräch zwischen Sylvia und Jörg. Da musste er ansetzen. Wie kam diese Beziehung zustande? Er hatte Sylvia gegenüber mit keinem einzigen Wort je etwas von Julia und der

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