Milchmond (German Edition)
nahm es gelassen. »Mach dich nicht verrückt, Schatz! Je verbissener man die Sache angeht, desto weniger klappt es. Ich habe schon von Leuten gehört, die wurden erst schwanger, als sie alles ausprobiert hatten und dann schließlich frustriert aufgaben. Entspann dich!«
Das konnte sie nicht. »Jörg, du kennst mich. Wenn ich mir etwas vornehme, dann muss es auch losgehen!«
»Ja, ich kenne dich und weiß, dass du ehrgeizig bist. Du willst immer alles über den Kopf lösen, versuche es doch mal mit dem Bauch.«
»Um den geht es ja! Mach mich nicht wahnsinnig! Ich werde die nächsten Tage zu meinem Frauenarzt gehen, um zu sehen, ob bei mir alles in Ordnung ist. Und ich bitte dich, das bei deinem Urologen auch untersuchen zu lassen.«
Darauf entgegnete Jörg nichts. Ihre Untersuchung hatte ergab, dass bei ihr alles in Ordnung war. Der Arzt hatte versucht sie damit zu beruhigen, dass es gar nicht so ungewöhnlich sei, dass eine Frau in ihrem Alter nicht sofort schwanger würde. Sie sei schließlich kein junges Mädchen mehr.
Die Worte hatten sie getroffen. Sie fühlte sich jung und fit. Jawohl! Jörg war bisher noch nicht beim Urologen gewesen. Er hatte mehr Scheu, dort hinzugehen, als sie sich das hatte vorstellen können. Für Frauen war es auch nicht gerade angenehm, aber doch selbstverständlicher, regelmäßig zum Frauenarzt zu gehen.
Bei Männern war das augenscheinlich keineswegs so. Als ihr irgendwann der Kragen platzte, weil er auf ihr wiederholtes Drängen, sich immer noch nicht hatte untersuchen lassen, kam er heraus mit der Sprache.
»Weißt du, irgendwie geht mir das Ganze langsam auf den Keks! Kinder ja oder nein, mein Gott! Ich hab nichts gegen Kinder. Wenn du unbedingt welche möchtest, meinetwegen! Aber dieser ganze Zirkus, den wir jetzt veranstalten, der geht mir gegen den Strich. Wenn du mich verführst, weiß ich, dass es keine Verführung ist, sondern ein Zuchtakt! Das törnt mich total ab! Ich finde, wir sollten das Mutter Natur, oder nenn es meinetwegen Gott, überlassen, ob wir welche bekommen oder nicht! Du verhütest nicht mehr, wir lieben uns regelmäßig, mehr kann man eben nicht tun. Alles andere ist Schicksal. Das war schon immer so, das ist Naturgesetz! Also hör endlich auf, dich da so reinzusteigern!«
Dieser Ausbruch kam überraschend und war untypisch für Jörg. Sie war total perplex, als er damit raus kam - und sie war verletzt. Dieser furchtbare Satz: Wenn du unbedingt welche möchtest, meinetwegen!, war der Auslöser. Das sagte ihr ganz deutlich, dass er nur ihretwegen Kinder sozusagen in Kauf nahm. Sie wünschte sich für ihre Kinder aber keinen Vater, der sie nur notgedrungen in Kauf nahm, sondern einen, der sie wollte und liebte. Julia fand, dass Kinder ein Grundrecht auf die Liebe ihrer Eltern hatten.
Durch diesen Vorfall ging etwas in Julia kaputt. Sie spürte das ganz deutlich. In ihre Beziehung schlich sich Sprachlosigkeit. Sie fing wieder an die Pille zu nehmen. Obwohl sie manchmal dachte: Warum eigentlich?, denn ihr Liebesleben begann von nun an gegen Null zu tendieren. Jörgs Musikaufgaben in der Schule schienen sich mehr und mehr auszuweiten. Sein Terminkalender war randvoll.
Im Rückblick kam es Julia so vor, als ob ihre unbekümmerte Fröhlichkeit, sie seit dieser Geschichte verlassen hatte. Sie vertraute sich ihrer Schwägerin an. Die aber meinte dazu nur, dass sie das nicht so tragisch fände. Da würde sie sich ganz auf die Kräfte der Natur verlassen. Wären die Kinder erst da, würde Jörg sie genau so lieben wie sie selbst. Sie müsse mehr Vertrauen haben.
Das konnte sie aber nicht aufbringen - sie glaubte das nicht. Entweder ganz oder gar nicht! Nach dieser Devise hatte sie bisher gelebt und war damit immer gut gefahren. Sie mochte keine Halbheiten.
Okay, hatte sie sich eines Tages gesagt, dann mache ich jetzt eben Karriere! Verbissen bemühte sie sich fortan bei ihren Arbeitgebern darum, mehr in Fälle des Arbeitsrechts einbezogen zu werden. Sie erinnerte sich ihres alten Traumes von der eigenen Kanzlei mit Schwerpunkt Arbeitsrecht. Sie wollte noch ein wenig mehr Erfahrung sammeln und dann - vielleicht schon im darauf folgenden Jahr, sich selbständig machen.
Ihr war bewusst, dass eine solche Existenzgründung schwierig sein würde, und sie wollte sich deshalb noch mit ihrem Vater besprechen. Da sie nicht von Jörgs Gnaden abhängig sein wollte, nahm sie sich vor, ihren Vater um
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