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Milchmond (German Edition)

Milchmond (German Edition)

Titel: Milchmond (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Herfried Loose
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waren sie sich zum ersten Mal begegnet. Wie hatte sie sich dabei gefühlt? Sie erinnerte sich, dass sie anfangs überhaupt nicht in ihn verliebt war. Er tauchte plötzlich auf und wich nicht mehr von ihrer Seite, gewann das Herz ihrer Mutter und das von Johannes. Ihre erste Liebesnacht im Haus ihres Bruders… ja, die Erinnerung hatte sie lebendig bewahren können; sie hatte die als sehr romantisch, aber auch unaufgeregt in Erinnerung. 
   Je mehr sie darüber nachdachte, desto mehr schob sich ein unangenehmer Gedanke in ihren Sinn. Erst konnte sie ihn nicht klar bestimmen, aber nach und nach, je mehr sie diesem Aspekt ihrer Beziehung Aufmerksamkeit schenkte, desto mehr drängte sich ein hässliches Wort in den Vordergrund: Unterwanderung! Jörg hatte sie nicht erobert, er hatte sie unterwandert! Ja, genauso kam es ihr vor! Er hatte sich einfach in ihr Leben geschlichen und sich dort eingenistet. Schlagartig überkam sie Ernüchterung, und sie hatte plötzlich das Gefühl, von den Wolken auf die Erde zu stürzen.
   Wut stieg in ihr empor, Wut gegenüber sich selbst. War sie nicht immer aus Bequemlichkeit den einfacheren Weg gegangen? Zwar hatte es funktioniert, aber zu welchem Preis? Lebte sie überhaupt ihr eigenes Leben, oder ein Leben, das andere für sie als gut befanden? Verdammt, warum taten diese Gedanken so weh? Sie biss sich zornig auf die Lippen, sprang auf und rannte ins Wasser, ohne Rücksicht darauf, wie ihr erhitzter Körper unter der plötzlichen Kälte zusammenzuckte. Sie ließ sich fallen, das Wasser überspülte ihren Kopf, sie tauchte schnaubend wieder auf und begann zu schwimmen, sich abzureagieren. Sie schwamm mit kräftigen Zügen und die Kälte tat ihr gut. Mit jedem Schwimmstoß den sie tat, hatte sie das Gefühl, ein kleines Stückchen des sie bedrückenden und beengenden Ballasts hinter sich zurückzulassen, wie eine Schlange beim Häuten. Sie schwamm und fühlte neuen Mut und neue Zuversicht in sich wachsen.
   Als sie eine gute halbe Stunde später wieder aus dem Wasser stieg, fühlte sie sich wie neu geboren. Hatte sie noch vor einigen Stunden geglaubt, Heute sei nicht ihr Tag, so wusste sie nun: Es war ihr Tag, ihr ganz persönlicher Tag! Wow!
   Sie zog sich um und beschloss, spontan und ohne Skrupel, Tobias noch einmal anzurufen. Diesmal meldete er sich mit seinem vollen Namen, was sie verwunderte. Sie hatte wieder mit einem Hallo gerechnet. Noch ganz irritiert meldete auch sie sich mit ihrem Vornamen. Er erkannte ihre Stimme sofort und sagte rasch: »Sekunde, ich muss einmal unter Deck gehen, es ist so laut hier. Moment!........« Es folgte eine kurze Pause. »…So, da bin ich wieder. Das ist ja eine Überraschung, dass Sie sich noch einmal melden. Ich freue mich total, bin ganz aus dem Häuschen!«
   »Sind Sie auf einem Schiff? Sie sagten, Sie müssten unter Deck gehen?«
   »Ja, genau. Ich bin auf meinem Segelboot!«
   »Oh, dann störe ich jetzt bestimmt!« Sie wollte spontan das Gespräch wieder beenden, er rief jedoch:  »Halt! Bleiben Sie dran! Sie stören überhaupt nicht!« Eine der großen aus Skandinavien einlaufenden Fähren ließ ihre mächtigen Sirenensignale ertönen, das Echo hallte in ihrem Telefon wieder. »Sagen Sie mal«, kam es verblüfft aus dem Hörer, »sind Sie an der Ostsee?«
   »Richtig geraten!«
   »Weil… «, er klang jetzt ganz aufgeregt, »…ich meine nur, weil die Fähre eben gerade an meinem Boot vorbeifährt und ich das gleiche Signal verzögert aus dem Handy höre. Sind Sie etwa in Travemünde?«
   Jetzt war es an ihr, überrascht zu sein. Das gab es doch nicht! Er hier auf der Ostsee und sie allein am Strand? Es konnte sein, dass sie nur wenige hundert Meter voneinander entfernt waren. »Ich hab gerade gebadet und mich wieder abgetrocknet!«
   »Das klingt ganz so, als seien Sie allein?« Jetzt schlug ihr das Herz bis zum Hals. Worauf ließ sie sich hier gerade ein? Egal!
   »Können Sie hellsehen?«
   »Ich komme mit dem Boot rüber, wo sind sie?«
   »Zirka fünfhundert Meter vor dem Parkplatz Möwenstein« 
   »Es dauert ungefähr fünfzehn Minuten, dann bin ich dort. Ich habe eine schwarze Nummer auf dem Segel, die Nummer 412. Winken Sie, wenn Sie mich erkennen!«
   Bevor sie etwas erwidern konnte, war die Verbindung unterbrochen. Ihre Gedanken spielten Karussell. Sie würde ihn gleich treffen, hier, an der Lübecker Bucht! Sie konnte es nicht fassen und grübelte kurz darüber

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