Milchmond (German Edition)
seinen Hals schmiegte und ihre Stirn auf seiner Schulter ruhte. Sein Atem kitzelte sie im Nacken und sie nahm seinen köstlichen Duft wahr, erlebte ein Gefühl, das zu beschreiben sie niemals imstande sein würde…
Kapitel 13
Tobias traf am nächsten Morgen mit leichter Verspätung in der Kanzlei ein und sichtete als erstes die Post. Er war aufgewühlt und hätte diesen Tag am liebsten frei genommen, aber das ging nicht, da Ella und Nob in Urlaub waren.
Das Büro wirkte ohne sie verwaist und trostlos. Noch vor dem Frühstück hatte er sich schweren Herzens von Julia verabschiedet, hatte das Zimmer bezahlt und war direkt zu seiner Wohnung gefahren, um sich umzuziehen. Danach ging es schon Hals über Kopf weiter in die Kanzlei, deshalb auch die kleine Verspätung.
Er entschloss sich, den Tag mit einem starken Kaffee zu beginnen. Mit dem Becher in der Hand und einem Teller Besucherkeksen ließ er sich an seinem Schreibtisch nieder und versuchte, die Kontrolle über seine aufgewühlten Gedanken und Emotionen wiederzuerlangen.
Er konnte sein Glück nicht fassen, war ihm Julia zuerst so unerreichbar erschienen, so hatten sich die Ereignisse in den letzten achtundvierzig Stunden förmlich überschlagen. Eine solche Situation war ihm in seinem ganzen Leben noch nicht passiert. Bisher war er es gewohnt gewesen, die Dinge unter Kontrolle zu haben, aber jetzt…?
Er dachte an den Wochenmarktbesuch, dann an den schicksalhaften Handyanruf, der ihn an Bord der Tobendra erreichte, als Julia ihn anrief. Von da ab war ihm die Situation völlig entglitten, hatte er sich ohne Zögern sofort mit dem Boot zu ihr begeben, ohne dass er ihr auch nur die Chance einer Entgegnung gelassen hatte. Nachdem sie an Bord gekommen war, hatte er während des Ablegemanövers noch darüber nachgesonnen, wie er nun ein möglichst charmantes Gespräch mit ihr in Gang bringen könnte, und dann war alles wie von selbst gegangen - ja fast wie vorherbestimmt!
Bis zu dem Moment, da er ihre Hände ergriffen hatte, waren noch alle Möglichkeiten offen gewesen. Er hatte von sich erzählt, da sie ja die Schweigende gab. Während er sprach, hatte ihm sein zweites Ich aufmerksam zugehört. So offen und direkt hatte er sich bisher noch nie einer Frau anvertraut, die ihm einerseits noch völlig unbekannt, aber andererseits doch so vertraut vorkam.
Ihm war das Wort Seelenverwandtschaft in den Sinn gekommen. Dieser Begriff schien es am besten auszudrücken. Die Worte, die er sprach, schienen direkt seiner Seele zu entströmen. Und dann dieser Impuls sie zu küssen, ihre fassungslosen, verstörten Augen, die soviel Verwundbarkeit und Tiefe ausdrückten.
Sie waren nicht weit mit dem Boot gekommen, nur bis zum nahe gelegenen Niendorfer Hafen, wo sie anlegten und ihre Strandsachen ergriffen, um sich an den Strand zu legen. Das Segeln erforderte zuviel Aufmerksamkeit, die hatte er plötzlich in Julias Anwesenheit nicht mehr aufbringen können.
Sie redeten viel an diesem Nachmittag und später dann die halbe Nacht hindurch. Julia erzählte von ihrem Leben und von ihren Träumen und davon, dass sie seit fünf Jahren verheiratet sei. Von ihrem Mann und ihrer Ehe sprach sie jedoch nicht. Er wusste bisher weder seinen Namen, noch was er beruflich machte, geschweige denn, sonst etwas von ihm. Er wusste nur, dass sie sich Kinder wünschte. Weshalb sie bisher keine bekommen hatte, ließ sie unerwähnt, und er war taktvoll genug, nicht zu fragen.
In dieser Nacht, so glaubte er sich zu erinnern, hatte er überhaupt nicht geschlafen. Sie hatten gekuschelt, geredet, gelauscht, und sich dem wunderbaren Gefühl ihrer Nähe und der Magie des Augenblicks hingegeben.
In diesen wenigen Stunden war aus seiner Ahnung Gewissheit geworden: Sie gehörten zusammen! Mit Julia würde er eine Familie gründen, daran gab es für ihn nicht den geringsten Zweifel. Er würde alles daran setzen und verschwendete keinen Gedanken an ihren Mann, wie es ihm dabei ergehen würde. Ehen wurden eingegangen und immer häufiger auch wieder geschieden. Das war der Lauf der Dinge. Nur gut, dass keine Kinder darunter würden leiden müssen.
Hätte sie bereits welche gehabt, hätte er sie selbstverständlich wie eigene akzeptiert und wäre ihnen auch ein guter Ersatzvater geworden. Er hätte sie geliebt, aber die Kinder hätten unter einer Scheidung natürlich leiden müssen, das wäre schon eine andere Hürde für seine moralischen Bedenken
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