Milchmond (German Edition)
nervös!«
»Sylvia, hör jetzt bitte auf damit! Wenn du es unbedingt wissen willst: Ja, ich habe mich neu verliebt!« Bei diesen Worten kam er sich albern vor, aber er musste jetzt in die Abwehr gehen, sonst würde dieses Treffen einen Verlauf nehmen, den er nicht wollte. Wirklich nicht?
»Oh, du bist verliebt - wie nett! Wer hat die Finger nach dir ausgestreckt? Ich dachte, du würdest nur mich lieben. Hast du nicht so etwas vor nicht allzu langer Zeit zu mir gesagt?« Das Gespräch nahm einen Verlauf, bei dem er sich auf unsicheren Boden begab. Zum Glück kam das Essen, und so war er einige Momente einer Erwiderung enthoben. Nach den ersten Bissen und ihrem gemeinsamen Anstoßen nahm sie das Thema jedoch unbarmherzig wieder auf. »Wer ist es denn? Erzähl mir von ihr!«
Das war das letzte, was er wollte. »Hör zu Sylvia, ich frage dich ja auch nicht nach deinen Männerbekanntschaften. Lass uns das Thema wechseln, okay?«
»Na gut!« Mit leichtem Ton ging sie nun dazu über, von ihrem Job zu erzählen und dass sie sich mit ihrem Chef nicht mehr so gut verstand wie früher. Sie hatte ihn einmal an einem feuchtfröhlichen Abend abblitzen lassen und das nahm er ihr augenscheinlich übel. Seitdem bekäme sie nur noch untergeordnete Aufgaben übertragen. Deshalb habe sie ihre Fühler ausgestreckt und sich bei einem anderen Sender mit Sitz in Frankfurt beworben. Nach dem Bewerbungsgespräch, welches sehr gut verlaufen sei, habe man ihr einen Vertrag zugeschickt, den sie nur noch zu unterschreiben brauchte. Ihre Kündigungsfrist betrug vier Wochen zum Monatsende, und wenn alles glatt ginge, dann könnte sie bereits ab November ihren neuen Job antreten, der zwar nicht besser bezahlt wurde, ihr aber mehr Kompetenzen übertrug.
Nachdem sie gegessen und zum Abschluss noch einen Cappuccino getrunken hatten, kam der Zeitpunkt des Abschieds. Sylvia hatte nicht wieder angefangen, ihn nach seiner neuen Liebe zu befragen, hatte ihn auch nicht mehr mit zärtlichen Berührungen zu irritieren versucht. Nachdem sie die Rechnung bezahlt hatte, holte sie mit einem geheimnisvollen Lächeln einen Umschlag aus ihrer Handtasche und entnahm ihm zwei Eintrittskarten.
»Ich habe noch etwas gut zu machen, und da ich nicht mit Schulden mein Hamburger Leben hinter mir lassen möchte, habe ich für heute Abend zwei Karten für Mamma mia erhaschen können. Es ist zwar nur ein Musical und kein Schauspiel, aber ich glaube, es wird dir gefallen. Was ist, kannst du dich von deiner neuen Liebe für heute Abend frei machen?«
Es verschlug ihm die Sprache. Er hatte heute Abend nichts vor, aber dennoch, er fühlte sich unbehaglich. Sie merkte ihm seine Unsicherheit an und setzte hinzu: »Du brauchst keine Angst vor mir zu haben, ich tue dir nichts, wo du doch jetzt eine neue hast. Also, wie ist es? Bist du ein Strafverteidiger oder ein Angsthase und Spielverderber?«
»Oh, man, du bekommst doch immer, was du dir in den Kopf setzt, oder?«
»Das werte ich als Zusage! Ich hole dich um achtzehn Uhr dreißig ab. Wenn ich anrufe, kommst du runter, ich warte vor dem Haus, okay?«
»Na gut, da kann ich ja nicht ablehnen.« Mit einem Küsschen auf die Wangen verabschiedeten sie sich. Als Tobias in seinen Wagen stieg, hatte er immer noch den betörenden Duft ihres Eau de Parfums in der Nase. Diesem Duft war sie stets treu geblieben; es war Sensations von Jil Sander, erinnerte er sich kopfschüttelnd und startete den Motor.
Den ganzen Nachmittag über kreisten seine Gedanken um das Treffen mit Sylvia. Eine innere Stimme schien ihn warnen zu wollen und drängte ihn, das Date abzusagen. Seine Gedanken kamen einfach nicht zur Ruhe, und er war hin- und her gerissen. Klar, er war von Sylvias frischer und draufgängerischer Art angetan, und lange Zeit hatte er sie geliebt, obwohl sein Verstand ihn oft gewarnt hatte.
Tief im Innern wusste er, dass sie ihm nicht gut tun würde und doch ging eine eigentümliche Faszination von ihr aus. Sie war unberechenbar, launisch, berechnend, aber eben auch charmant, witzig, intelligent und kühn. Diese Mischung hatte ihn immer schon fasziniert, weil er in sich selbst doch nur den Kopfmenschen sah.
Dann dachte er an Julias Statement, als sie seine Wohnung das erste Mal angeschaut hatte. Sie hatte ihm auf den Kopf zu gesagt, dass er eine völlig falsche Selbstwahrnehmung habe. Er sei keineswegs so kopfgesteuert wie er glaube, sie habe in ihm zuallererst den
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