Milchmond (German Edition)
Mittagstreff und abends sogar zum Musicalbesuch zu überreden. Dieser Mann faszinierte sie mehr denn je, dass war ihr in den sechs Monaten der Trennung überdeutlich bewusst geworden.
Klar, in der Zwischenzeit war sie kein Kind von Traurigkeit gewesen, sie konnte fast jeden Mann haben, wenn sie es darauf anlegte - leider gab es nur so wenige, an denen ihr wirklich etwas lag. In letzter Zeit rückte ihr Benno von Kühnheim mächtig auf die Pelle und hatte sich sogar dazu hinreißen lassen, ihr einen Heiratsantrag zu machen. Benno war von altem Adel, schwerreich, aber in seiner blasierten Art gähnend langweilig. Manche der jungen Hühner, die heutzutage modern als Party-Schlampen bezeichnet wurden, hätten sich um eine solche Partie sicherlich gerissen, aber bei ihr stellte sich keine wirkliche Freude über den Antrag ein und nur mit großer Mühe gelang es ihr, Benno für eine unbestimmte Zeit zu vertrösten.
Genau genommen, hatte sie bisher nur zweimal das Gefühl kennen gelernt, einen Mann wirklich zu lieben. Der eine war Fred, der selbstverliebte Gitarrist ihrer damaligen Schulband und mit dem zweiten hatte sie gestern ein Wiedersehen gefeiert - und was für eines! Dafür, dass sie diese Nacht kein Auge zugetan hatte, sah ihr aus dem Rückspiegel, ein zwar vom Regen durchnässtes, aber optimistisch-fröhliches Gesicht entgegen.
Während sie sich durch den dichter werdenden Stadtverkehr fädelte, dachte sie daran, wie es mit ihr und Tobias wohl weitergehen würde. Sie wollte um diesen Mann kämpfen, das hatte sie sich fest vorgenommen, und das gestrige Wiedersehen hatte sie in diesem Vorsatz noch bestärkt. Der alte Zauber hatte sich bei ihr sofort wieder eingefunden - wie hatte sie das Beisammensein mit ihm genossen.
Beim Verabschieden heute früh, nach einer eiligen Tasse Kaffee, verabredeten sie sich zunächst nicht erneut, sondern beschlossen, dass sie in den nächsten Tagen miteinander telefonieren würden, Handy-sei-Dank! Sie würde dieser biederen Julia schon zeigen, was es hieße, ihr den Mann auszuspannen. Schließlich hatte sie, Sylvia, schon andere Schlachten geschlagen. So begann sie bereits im Laufe des Vormittags eine aufregende Idee zu realisieren...
Es war ihr klarer Vorteil, dass sie Tobias schon so lange kannte, nach nun mittlerweile mehr als sechs Jahren, wusste sie, mit ihm umzugehen. Bei dem Gedanken lächelte sie vor sich hin; er war doch trotz seiner sechsunddreißig Jahre noch immer ein rechter Kindskopf. Gut, dass Männer so leicht zu manipulieren waren. In Vorfreude auf den heutigen Abend und die nächsten Tage begann sie vergnügt eine Abba-Melodie zu summen.
Das Gespräch mit Dr. Kleiner, dem Manager der Tennis-Arena, ging zum Glück zügig über die Bühne. Sie klärte mit ihm einige Details für die geplante Übertragung am Sonntag. Dieser Mann war ihr herzlich zuwider, seine ganze arrogante Art, und erst diese näselnde Stimme... furchtbar! In Gedanken an das Gespräch mit ihm, schüttelte sie sich angewidert und konzentrierte sich dann lieber auf das, was an diesem Freitagabend noch Erfreuliches vor ihr liegen würde.
Sie hoffte inbrünstig, nicht zu spät bei seiner Kanzlei anzukommen, schließlich war sie gerade dabei, dem bevorstehenden Wochenende einen Verlauf zu geben, der ihr Blut in Wallung brachte. Sie fand einen Parkplatz unweit des modernen Gebäudes am Neuen Wall. Hohl hallten ihre Schritte in der menschenleeren Tiefgarage wieder. In solchen Garagen fühlte sie sich immer etwas beklommen, aber egal, was sie sich vornahm, pflegte sie auch in die Tat umzusetzen.
Viele Stellplätze waren bereits verwaist. Als sie nahe der Treppenhaustür Tobias schwarze Limousine stehen sah, atmete sie erleichtert auf. Ihr Puls beschleunigte sich, und sie hoffte, dass niemand sie ausgerechnet jetzt sähe. Am Wagen angekommen, nahm sie ihren Lippenstift aus der Tasche und zeichnete mit kühnem Schwung ein großes Herz auf das Fahrersichtfeld der Scheibe. Nun kam der schwierigere Teil, aber zum Glück hatte sie den bereits auf einem Zettel in ihrem Büro geübt: Das Schreiben der drei Worte in Spiegelschrift.
Zufrieden, mit geschürzten Lippen, betrachtete sie noch kurz ihr Werk, dann fiel durch die Glasscheibe der Treppenhaustür in ihrem Rücken das helle Licht der automatischen Flurbeleuchtung. Jemand musste im Anmarsch sein. Rasch trat sie hinter einen der breiten Betonpfeiler. Gerade früh genug, um der kleinen Gruppe von Angestellten
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