Milchrahmstrudel
einer Viertelstunde am Fallgitter von Schloss Egg«, sagte Fanni. Sie wartete kaum Sprudels Zustimmung ab, bevor sie wieder auf den blauen Balken, dann sofort auf den Ausschaltknopf drückte und das Handy in der Tasche verschwinden ließ.
Du tust grade so, als ab das Ding bissig wäre!
Wer weiß?
Als Fanni in Egg ankam, lehnte Sprudel bereits an einer der Holzplanken, die am Schlosspark entlangliefen, und betrachtete die Burg.
»Beeindruckendes Gemäuer.« Er ließ den Blick über die Ringmauer schweifen, über die Türmchen und Giebel bis zum Hungerturm.
»Vierzehntes Jahrhundert – Peter von Egg – übler Bursche«, informierte ihn Fanni bruchstückhaft, während sie das Wagenschloss einschnappen ließ und den Schlüssel verstaute.
»Aber sehenswert«, meinte Sprudel. »Ich habe schon einen Blick in den Schlosshof geworfen. Von dort führt eine Treppe zur eigentlichen Burg.«
Fanni nickte. »Im inneren Schlosshof geht man an der Kapelle, am Ritterbrunnen und am Aufgang zum Hungerturm vorbei und kommt dann zu dem prächtigen Portal, das in die Burg hineinführt.«
»Man kann sie besichtigen?«, fragte Sprudel.
»Von oben bis unten«, erwiderte Fanni. »Speisesaal, Fürstenzimmer, Rittersaal, Spiegelzimmer – alles von den diversen Grafen, die das Schloss seit Peter von Eck in Besitz hatten, aufs Prunkvollste angebaut, aufgestockt, vergrößert, renoviert.«
Sprudel öffnete den Mund, um etwas zu sagen, doch Fanni legte die Hand auf seinen Arm. »Das Schloss samt Brückchen und Treppchen, samt Park und Kapelle ist durchaus eine Besichtigung wert, Sprudel. Aber die musst du ohne mich machen, wenn wir uns nicht mit voller Absicht ins Gerede bringen wollen. Frau Pramls Tochter hält hier Führungen, Frau Itschkos Schwester arbeitet als Bedienung in der Schlossgaststätte.«
Sie musste Sprudel nicht erklären, dass mit diesen beiden Spitzeln im Schloss sich jedwede Nachricht, Erlenweiler und seine Bewohner betreffend, wie ein Lauffeuer verbreiten würde. Beim Frauenbund, dessen Vorsitzende Frau Praml war, würde man Sanktionen gegen Fanni erwägen, und Frau Itschkos Telefondraht würde heiß laufen, worunter Fanni doppelt zu leiden hätte, denn Frau Itschko pflegte ihre Telefongespräche ausschließlich im Garten hinter Fannis Thujenhecke zu führen.
Wolltest du nicht alles kommen lassen, wie es kommt? Wolltest du nicht aufhören zu taktieren, aufhören zu vertuschen?
Vor allen Dingen wollte Fanni ihrer Gedankestimme den Mund verbieten. Aber dann setzte sie sich doch mit ihr auseinander: Sprudel gegenüber will ich nicht mehr taktieren, ihn nicht mehr wegschieben, wenn er mich in die Arme nimmt; ihm nicht mehr vorschreiben, dass unsere Beziehung rein platonisch zu sein hat. Aber nach außen hin soll vorerst alles bleiben, wie es ist. Ich will Hans Rots heile Welt nicht mutwillig zerstören, werde aber auch nichts dagegen unternehmen, wenn sie eines Tages zusammenbricht.
Sprudel war deutlich anzusehen, was er dachte: Ohne Fanni verliert das Schloss seinen Reiz. Aber es kann gut sein, dass der Tag bald kommt, an dem wir auf kein Gerede der Welt mehr Rücksicht nehmen müssen.
Sie überquerten die Straße und gingen an einem Zaun entlang, bis sie eine kleine Gartenpforte erreichten. Dahinter lag ein mit Efeu fast zugewachsenes Holzhaus. Kurze Abschnitte eines ausgedehnten Balkons ragten sporadisch zwischen all dem Grün hervor, und zwei Reihen von Sprossenfenstern scheiterten schier an ihrer Aufgabe, Licht durchzulassen.
»Erbaut im vierzehnten Jahrhundert im Auftrag des Peter von Eck und bewohnt von seiner Mätresse?«, erkundigte sich Sprudel.
»Warum nicht?«, erwiderte Fanni lächelnd und ging durch den dicht wuchernden Garten auf den Hauseingang zu. Sie war noch einige Schritte entfernt, als die Tür aufging, die Öffnung aber im selben Moment von der ausladenden Figur einer Mittfünfzigerin verdeckt wurde.
Fanni fragte nach Roland Becker.
»Der ist immer noch nicht heimgekommen«, bekam sie zur Antwort.
»Von seiner Urlaubsreise?«, fragte Fanni.
»Was für eine Reise?«, fragte die Walküre verdutzt zurück.
Fanni warf einen Blick auf das Schild unter der Klingel. Die Frau hieß offensichtlich Bachl.
Sie holte Luft. »Roland hat bei seiner Arbeitsstelle vierzehn Tage Urlaub eingereicht. Wir dachten, er wollte verreisen.«
»Ist er aber nicht«, antwortete Frau Bachl. »Wer sind Sie denn überhaupt?«
Als Fanni zögerte, sprang Sprudel ein. »Wir sind Bekannte von Roland und machen
Weitere Kostenlose Bücher