Milchrahmstrudel
uns Sorgen, weil er seit Tagen wieder zurück sein müsste.«
»Er war aber nicht im Urlaub«, wiederholte Frau Bachl. »Komisch ist allerdings …«
Fanni und Sprudel sahen sie gespannt an.
Frau Bachl wies auf zwei Bänke und einen Tisch, die rechts von der Tür an der Hauswand standen. »Im Sitzen redet sich’s bequemer.«
Fanni und Sprudel teilten sich eine Bank; die andere überließen sie Frau Bachl, die schier den gesamten Platz darauf einnahm.
Die Anstrengung des Hinsetzens hatte sie außer Atem gebracht.
Fanni und Sprudel warteten geduldig.
»Also«, begann Frau Bachl kurzatmig. »Der Roland hat in der Katherinenresidenz zwei Wochen Urlaub genommen, das stimmt schon, aber fortgefahren ist er nicht. ›Bei uns, da ist es auch schön‹, hat er zu mir gesagt. ›Wir haben etliche Baggerweiher, die Donau und das Elypso. Wir haben schöne Biergärten, ebene Radlwege und den Dreitannenriegel, wenn’s einem grad nach Bergwandern ist.‹«
Sie musste wieder verschnaufen. »Viel hab ich nicht gesehen von ihm in seiner Urlaubszeit«, sagte sie dann. »Aber er hat jede Nacht hier geschlafen.« Sie deutete auf ein Fenster im ersten Stock. »Sein Bett steht genau über meinem. Und in der Nacht, wenn sonst alles still ist unten, dann hört man halt allerhand Geräusche von oben.«
Sie winkte ab, als Sprudel eine Augenbraue hochzog. »Nein, nicht was Sie meinen. Er hat niemanden mitgebracht, der Roland, das hätte ich gemerkt.« Sie nickte, ihre eigenen Worte bestätigend, vor sich hin.
»Und was war komisch?«, fragte Fanni.
»Also, in der zweiten Woche von seinem Urlaub«, berichtete Frau Bachl, »ist der Roland am Mittwoch in der Früh – neun wird’s gewesen sein – aus dem Haus gegangen. Aber an dem Tag ist er am Abend nicht heimkommen und gestern auch nicht.«
»Roland ist folglich seit zwei, eigentlich schon drei Tagen verschwunden«, resümierte Sprudel, nachdem es am Tisch eine Weile still gewesen war.
»Und das ist komisch«, sagte Frau Bachl.
»Sind Sie deshalb so verwundert, weil Roland Sie normalerweise informiert, wenn er verreist?«, fragte Sprudel.
»Er sagt’s mir immer, wenn er über Nacht außer Haus bleibt«, antwortete Frau Bachl und lächelte ein wenig schamhaft. »Das haben wir so ausgemacht, weil ich dann die Sicherheitskette vorlege und das Hauslicht eingeschaltet lasse.«
Fanni hätte Frau Bachl gern gefragt, ob Roland oft nachts außer Haus blieb, ob er nur dann und wann Besuch hatte oder regelmäßig und von wem er Besuch bekam. Aber Sprudel hatte sie beide bei Frau Bachl als Bekannte von Roland eingeführt, deshalb wagte sie es nicht, Fragen zu stellen wie bei einem Verhör.
Sprudel sprang in die Bresche. »Na, vielleicht hat sich Roland ja eine neue Freundin angelacht und im Überschwang vergessen, Sie darüber zu informieren, dass er sich bei ihr einquartiert hat.«
Frau Bachl krauste die Nase und schüttelte den Kopf. »Nicht der Roland. Da kennen Sie ihn aber schlecht. Ein Mädel bringt den nicht aus der Spur.«
»Aber was könnte ihn dann derartig aus der Spur gebracht haben«, hakte Fanni ein, »dass er sich nicht bei Ihnen meldet?«
Frau Bachl verschränkte die Hände vor dem mächtigen Busen und wiederholte: »Ja, komisch ist das schon.«
Nach kurzem einträchtigen Schweigen kam Sprudel noch mal auf Roland Beckers Urlaubstage zu sprechen.
»Ja«, bestätigte Frau Bachl, »tagsüber war er meistens unterwegs. Seit ich im Vorruhestand bin, arbeite ich viel im Garten« – sie deutete auf etliche Gemüsebeete, die sich auf der Südseite erstreckten – »und hab ihn am Vormittag oft weggehen sehen.«
Frau Bachl dachte einen Moment lang nach. »Er hat mir aber nie gesagt, wohin er wollte.« Sie legte die Stirn in Falten. »Das ist eigentlich auch komisch. Normalerweise hat er gern ein Schwätzchen mit mir gehalten und mir erzählt, was sich bei ihm so tut. Aber in der letzten Zeit ist er recht einsilbig gewesen – und irgendwie umtriebig.«
»Ja, das hat uns auch Sorgen gemacht«, sagte Sprudel, als hätte er Roland Becker selbst so erlebt.
»Und Sie wüssten niemanden, dem er sich anvertraut haben könnte?«, legte Fanni nach.
Frau Bachl verneinte bedauernd. Plötzlich wirkte sie alarmiert. »Sie glauben doch nicht, dass ihm etwas zugestoßen ist?«
»Wie gesagt«, antwortete Sprudel, »wir machen uns Sorgen. Vielleicht hat Roland mit jemandem Ärger gehabt, vielleicht ist es zu einem handfesten Streit gekommen, zu einer Schlägerei …«
Frau Bachl
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