Miles Flint 01 - Die Verschollenen
Früher hatte Flint es für seltsam gehalten, dass sie eine derart veraltete Technologie benutzte, doch dann hatte sie ihm irgendwann erklärt, warum sie es tat.
Die Tastatur war still. Stimmkommandos nicht. Und die moderne Technologie, die auf Fingerdruck reagierte, wollte sie nicht benutzen, weil sie sich so leicht zurückverfolgen ließ. Die Tastatur ermöglichte es ihr, im System zu arbeiten, Codes zu verwenden und in die Tiefe der Datenbestände vorzudringen, und wenn sie sich geschickt genug anstellte, ließen sich ihre Systemabfragen nicht zurückverfolgen.
»Du willst den besten Verschwindedienst auf dem Mond«, sagte sie. »Nicht Mars, nicht Erde, nur Mond.«
Er nickte. »Wir müssen ihn schnell erreichen können.«
»Dir ist klar, dass der ›Beste‹ günstigenfalls relativ ist?«
Getrieben von einem Gefühl der Ruhelosigkeit ging Flint zur Tür und wünschte sich im Stillen, der winzige Kasten von einem Büro hätte wenigstens ein Fenster. »Ich will jemanden, der dich schlagen kann, Paloma.«
Sie schnaubte. »Niemand kann mich schlagen.«
Flint war nicht sicher, ob er ihr das abnehmen sollte, aber er schwieg dazu.
Einige lange Minuten arbeitete Paloma schweigend, und Flint studierte den Grundriss ihres Büros, die Ecken und den unebenen Bodenbelag. Tastatur und Computer sparte er vollkommen aus.
»Also gut«, sagte sie. »Ich habe meine Vermutung zweimal überprüft. Es gibt nur einen Verschwindedienst auf dem Mond, der deine Zeit wert ist, und der ist glücklicherweise sogar hier in Armstrong. Vermutlich hast du noch nie davon gehört.«
Eine Anspielung auf seine Bemerkung über Disappearance Inc. Wollte sie womöglich andeuten, dass er nicht so schlau war, wie er sich einbildete?
»Stell mich auf die Probe«, sagte er.
Paloma neigte den Kopf in seine Richtung, verriet aber noch nichts. Stattdessen fand etwas anderes ihre Aufmerksamkeit. Sie starrte auf die Bildschirmanzeige, die auf ihrer Schreibtischoberfläche erschienen war.
Flint war klug genug, gar nicht erst den Versuch zu unternehmen, ihr über die Schulter zu blicken. Das hatte er einmal getan, woraufhin sie ihn ein ganzes Jahr aus ihrem Büro verbannt hatte – obwohl all ihre Systeme kodiert waren und sie es geschafft hatte, verschwinden zu lassen, was auch immer auf dem Schirm zu sehen gewesen war, ehe er auch nur einen Blick hatte darauf werfen können.
»Probleme?«, fragte er.
Paloma schaute ihm in die Augen. Der Schirm färbte sich dunkel. »Wie ich schon sagte, dies ist das einzige verlässliche Unternehmen auf dem Mond. Alle ihre Klienten sind erfolgreich verschwunden, und keiner der für sie ausgestellten Vollzugsbefehle wurde ausgeführt. Aber sie werden nicht mit einem Bullen zusammenarbeiten. Ich bezweifle sogar, dass sie mit mir zusammenarbeiten würden.«
Flint stieß einen leisen Seufzer aus. Ein Teil von ihm war nicht sicher, ob es so ein Unternehmen tatsächlich geben konnte. »Das ist kein Problem. Sie müssen mit keinem von uns zusammenarbeiten. Welches Unternehmen ist es?«
»Data Systems«, sagte sie. »Ihr Büro ist nicht weit von hier und so dezent wie meines.«
Hässlich und ohne Glanz. Das Gegenteil vieler anderer Verschwindedienste, die er erlebt hatte. Irgendwie fand er das beruhigend.
Ein Klopfen hallte durch den kleinen Raum. Flint drehte sich um, die Hand an der Laserpistole. Die Schnelligkeit seiner Reaktion zeigte deutlich, wie angespannt er war.
»Ich wusste nicht, dass du jemanden erwartest«, flüsterte er.
»Ich habe niemanden erwartet«, sagte Paloma leise. »Aber jemand ist gekommen.«
Das Bild auf dem Schirm. Das war die Warnung, die sie erhalten hatte, aber wer auch immer dort draußen war, es beunruhigte sie nicht im Mindesten.
»Halte dich für einen Moment außer Sichtweite«, flüsterte Paloma. »Das könnte interessant werden.«
Flint runzelte die Stirn. Er wusste, dass sie einen Hinterausgang hatte, auch wenn er keine Ahnung hatte, wo der war. Auf jeden Fall überraschte es ihn, dass sie ihn nicht bat, ihn zu benutzen.
Flint stellte sich hinter der Tür auf, die Hand weiterhin an seiner Pistole.
Das Pochen erklang ein zweites Mal.
»Es ist offen«, sagte Paloma.
Ekaterina hatte seit ihrer Kindheit keine Tür mehr gesehen, in die kein Sicherheitssystem eingebaut war. Das erste Klopfen fühlte sich unnatürlich an, das zweite hartnäckig.
Dieser Bereich von Armstrong sah viel zu verarmt aus, um das Büro einer erfolgreichen Lokalisierungsspezialistin zu beherbergen.
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