Miles Flint 01 - Die Verschollenen
»Erweisen Sie ihnen Respekt.«
Sofort starrte er zu Boden. Nun war er erleichtert, dass DeRicci sich der Wygnin annehmen würde. Er hatte keine Ahnung gehabt, dass er gerade beinahe einen ihrer Gebräuche verletzt hätte.
DeRicci trat einen Schritt vor und sagte etwas, das sich wie ein gedämpftes Niesen anhörte. Also beherrschte sie sogar wenigstens ein bisschen ihre Sprache. Das war doch schon einmal ein Anfang.
»Ich fürchte, mehr als die Begrüßung beherrsche ich nicht«, sagte sie in diesem Moment. »Ich hoffe, Sie sprechen Englisch.«
Englisch, die Sprache, die die Menschen zu ihrer Handelssprache gemacht hatten. Sie hätte es auch auf Chinesisch oder Spanisch, ja, sogar auf japanisch probieren können, aber die meisten Aliens lernten Englisch, falls sie überhaupt eine menschliche Sprache erlernten.
»– Wir – benötigen – Übersetzer –«, sagte einer der Wygnin, dessen Stimme angesichts des flachen Körpers erstaunlich tief war.
»Er befindet sich auf dem Weg zu uns«, antwortete DeRicci und drehte sich zu den Grenzbeamten um. »Kann einer von Ihnen solange als Dolmetscher einspringen?«
»Wir warten, bis Ihre Leute eintreffen«, entgegnete die Grenzpolizistin. »Die Standardprozedur erfordert es, die Wygnin in Gewahrsam zu nehmen.«
»Dann folgen wir ihr«, sagte DeRicci.
Flint hielt noch immer den Kopf gesenkt und fühlte sich ein wenig benachteiligt.
»Wo sind die Kinder?«, fragte DeRicci.
»Auf dem Grenzerschiff«, antwortete die Polizistin. »Wir dachten, es wäre besser, sie zu trennen.«
»Mein Partner wird sich um sie kümmern.«
»– Nein –.«
Das Wort hallte durch Flints Kopf; aber er hatte es nicht ausgesprochen. Er blickte auf. Die Wygnin wiegten sich, als wehe ein leichter Wind durch das Terminal. Aber falls dem so war, so spürte er wenigstens nichts davon.
»– Sie – gehören – zu – uns –.« Der Sprecher der Wygnin war der, der ganz vorn stand. Seltsamerweise bewegten sich auch die kleinen Münder der anderen Wygnins, während er sprach.
»Liefern Sie mir die notwendigen Papiere, dann überlasse ich sie Ihnen«, sagte DeRicci.
Flint studierte sie. Er hatte sie noch nie so gefühllos und hart zugleich erlebt.
»Sie haben keine geeigneten Dokumente«, erklärte die Grenzpolizistin. »Das ist das Problem. Sie haben überhaupt keine Vollmachten.«
Sie fügte noch etwas in der gleichen, verschnupften Sprache hinzu, die DeRicci benutzt hatte. Der Wygnin legte den Kopf zur Seite, und seine goldenen Augen verkündeten eine Botschaft von solcher Traurigkeit, dass Flint ihren Nachhall in seinem Inneren fühlen konnte.
Dann sprach der Wygnin in seiner eigenen Sprache, und die tiefe Stimme klang melodisch und gemessen. Dieses Mal bewegten sich die Lippen der anderen nicht. Es war, als würde die Benutzung der englischen Sprache die Mitarbeit der ganzen Gruppe erfordern, nicht jedoch die Anwendung der eigenen Sprache.
»Sagen Sie Ihnen, sie bekommen die Kinder zurück, wenn sie die entsprechenden Vollmachten vorlegen«, sagte DeRicci.
»Das habe ich schon getan«, entgegnete die Grenzpolizistin. »Sie scheinen zu glauben, dass sie keine Vollmachten brauchen und dass bereits Mitteilung gemacht wurde.«
»Dann erinnern Sie sie daran, dass sie sich derzeit in unserem Gebiet befinden und wir die Vollmachten benötigen. Mitteilung zu machen, reicht nicht.«
Die Grenzpolizistin nickte und übersetzte.
»Sagen Sie ihnen, wir werden die Kinder in unserem Gewahrsam behalten, bis diese Angelegenheit geklärt ist. Sollte sich die Sache zu ihren Gunsten aufklären, werden sie die Kinder zurückbekommen.«
Die goldenen Augen des Wygnin ruhten auf DeRicci, und Flint bemerkte, dass sie weiter den Blick abwandte. Allmählich gewann er den Eindruck, dass sie dies nicht aus Respekt tat, sondern aus Selbstschutz.
»– Das – ist – falsch –«, sagte der Wygnin.
»Wir achten Ihre Gepflogenheiten«, schnappte DeRicci. »Dann können Sie auch unsere achten.«
Die Grenzpolizistin warf ihr einen warnenden Blick zu, aber DeRicci schien keine Notiz davon zu nehmen. Die Muskeln in Flints Schultern spannten sich. Er hatte keine Ahnung, was die Wygnin tun würden, wenn man ihnen in die Quere kam.
»– Wir – sprechen – mit – Anführer –«, sagte der Wygnin.
»Das sollten Sie auch«, erwiderte DeRicci. »Ich gebe keine Anweisungen, ich befolge sie nur, und ich habe in dieser Sache auch keine Wahl.«
Die Grenzpolizistin nickte knapp, und Flint fühlte, wie sich seine
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