Miles Flint 03 - Die Tödlichen
Position abzusetzen. Und der befand sich offensichtlich unmittelbar vor dem Fußweg, der zur Haupteingangstür des Gebäudes führte.
Die anderen Polizeiwagen parkten einen Block weit entfernt – in dieser Gegend war keine sichtbare Polizeipräsenz gestattet, doch das schloss Leute von DeRiccis Rang offenbar nicht ein.
Der Wagen landete mit einem dumpfen Laut. DeRicci wartete, bis sich der Motor abgeschaltet hatte und die Abgase verflogen waren. Eine erschreckende Erfahrung hatte sie gelehrt, niemals auszusteigen, ehe auch das letzte bisschen Luft entladen war. Die Wartezeit nutzte sie, um die Umgebung zu mustern.
Es war eine gehobene Gegend, aber das hatte sie bereits gewusst, als ihr der Fall übertragen worden war. DeRicci hatte schon früher an ein paar Fällen in dieser Gegend gearbeitet, aber seit sie zum letzten Mal hier gewesen war, war eine lange Zeit vergangen.
Die Nachbarschaft war unter dem Namen »die Ecke« bekannt, auch wenn der Name heute nicht mehr zutreffend war. Vor langer Zeit hatte diese Gegend direkt an den neuesten Kuppeiahschnitt gegrenzt – damals, als die städtischen Ingenieure mit dem Gedanken gespielt hatten, die Kuppel viereckig statt rund zu gestalten. Das Experiment war aufrecht spektakuläre Weise fehlgeschlagen, wenn DeRicci ihre Geschichtslektionen richtig in Erinnerung hatte, und hätte beinahe zu einem vollständigen Zusammenbruch der Kuppel geführt.
Die Ingenieure hatten ihre Entwürfe geändert, und die Ecke war immer näher und näher an die Stadtmitte herangerückt und wäre sicher heute kaum noch der Rede wert, hätte es dieses Viertel nicht geschafft, ihren Charakter aufrechtzuerhalten.
Doch das hatte es, was zum Teil daran lag, dass niemand diese herrlichen alten Wohnhäuser einreißen wollte. Sie waren vor mehr als einem Jahrhundert aus importierten Erdmaterialien erbaut worden: Ziegel aus Erdmaterial, nicht aus Mondregolith, weshalb sie eine ungewöhnlich weiße Farbe besaßen; Steine aus Steinbrüchen und sogar Holz, wie DeRicci gehört hatte, das teuerste Baumaterial von allen.
Nichts an diesen Gebäuden war nachgemacht; nichts war aus Plastik gefertigt. Alle Materialien stammten von der Erde und waren importiert worden, kostbare Materialien, die sich nicht nachbilden ließen.
Als DeRicci die Wagentür öffnete und ihren teuer beschuhten Fuß auf das Pflaster setzte, empfand sie erneut dieses vage Gefühl der Vorfreude. Sie war für die Besichtigung eines Tatorts nicht angemessen gekleidet; ihre Kleidung passte vielmehr zu ihrem Schreibtischjob.
DeRicci rückte die Jacke über den Schultern zurecht und schloss den obersten Knopf, damit ihr das verdammte Ding nicht herunterrutschen konnte, ehe sie den Kopfsteinpflasterweg hinaufging – auch so ein Zierrat dieser alten, wohlhabenden Gegend.
Niemand stand vor dem Haus, aber DeRicci war auch nicht sicher, ob es den Unis gestattet war, die Rasenflächen vor diesen großartigen alten Gebäuden zu betreten. Sie hastete über das Kopfsteinpflaster, erstaunt, dass überhaupt jemand auf den Gedanken gekommen war, dieses Material zu benutzen, um einen Gehweg zu befestigen, und streckte die Hand nach der Messingklinke der übertrieben großen Tür aus.
Die Tür schwang auf, verfehlte DeRicci knapp, schaffte es aber nicht, sie zu erschrecken. Vor ihr runzelte eine große, breitschultrige Frau in einer leuchtend roten Uniform, die DeRicci nicht einordnen konnte, die Stirn.
»Sie wünschen?« Die Stimme der Frau klang tief und auf subtile Weise bedrohlich.
Eine Türsteherin. DeRicci war bisher noch nie einer begegnet. Aber sie hatte gehört, dass es noch immer Häuser in Armstrong gab, die sich derartigen Luxus leisteten – was normalerweise überflüssig war, da die meisten wohlhabenden Häuser über Sicherungsmaßnahmen verfügten, gegen die die Mitarbeiter der Kuppelsicherheit sich wie Amateure ausnahmen.
»Assistant Chief DeRicci«, sagte DeRicci gerade laut genug, um von jedem Wichtigtuer auf der Straße gehört zu werden. »Soweit ich gehört habe, haben Sie einem Mörder Zutritt gewährt. Ist das korrekt?«
Die Türsteherin erbleichte. Sie hielt die Tür auf, und DeRicci trat ein.
Die Lufttemperatur lag unter dem Kuppelstandard, aber dieser Kühle haftete eine sonderbare Schärfe an, als würde sie nicht durch das Umweltsystem verursacht werden. Die Eingangshalle war erstaunlich klein – nur etwa doppelt so groß wie DeRiccis Büro. An einer Wand befand sich eine Reihe metallener Rechtecke, die im oberen
Weitere Kostenlose Bücher