Miles Flint 03 - Die Tödlichen
einen politischen Führer darstellen, der jenen Politikern, die bald in Armstrong auftauchen würden, und deren Gefolge ebenbürtig oder sogar überlegen war.
Er musste nur noch herausfinden, wie.
7
A ssistant Chief Noelle DeRicci traf mit einem vagen Gefühl der Vorfreude am Tatort ein. Beinahe ein Jahr war vergangen, seit sie zum letzten Mal einen Fall bearbeitet hatte – wirklich bearbeitet, statt lediglich den Tatort zu besichtigen und die Arbeit ihrer Untergebenen abzusegnen. Als sie die Beförderung zur stellvertretenden Leiterin der Ermittlungsabteilung angenommen hatte (und das war im Grunde keine Beförderung, sondern vielmehr eine Art Senkrechtstart: Noelle hatte Dutzende von Leuten hinter sich gelassen, die die Leiter Sprosse um Sprosse erklimmen mussten), hatte sie nicht mit einem Schreibtischjob gerechnet.
Immerhin war sie nicht die einzige Person in diesem Rang. Sie war nur eine von sechs, und mindestens vier von ihren Kollegen arbeiteten noch immer im Außendienst.
Aber DeRicci war inzwischen eine Berühmtheit geworden. Sie hatte, wie ihr Boss, Andrea Gumiela, es auszudrücken beliebte, »die Stadt im Alleingang vor einer Katastrophe bewahrt«. Nur hatte es keinen Alleingang gegeben, vor allem keinen Alleingang von ihr.
Die Beförderung hatte Vor- und Nachteile. So wurde Noelle erheblich besser bezahlt; also hatte sie endlich in eine Wohnung ziehen können, die echte Fenster hatte. Außerdem erhielt sie haufenweise kostenlose Mahlzeiten und ein paar Gratisreisen, weil sie überall auf dem Mond unterwegs war, um vor den Bürgern anderer Kuppelstädte über die Krise beim Mondmarathon zu sprechen.
Noelle war zu einer Expertin für das Leben in einer Kuppel und die Verbrechensprävention in einer geschlossenen Gemeinde geworden, und das gefiel ihr durchaus. Ihr war nie bewusst gewesen, wie eitel sie war – sie mochte sogar die hübschen Klamotten (bereitgestellt von der Stadt, eingekauft von jener Frau, deren Job es war, dafür zu sorgen, dass die Sprecher der Stadt einen guten Eindruck hinterließen), das Make-up und sogar die kostspieligen Frisuren.
Doch trotz all dieser Vorteile vermisste Noelle die praktische Polizeiarbeit, vermisste es, auf den Beinen zu denken, vermisste die Herausforderungen, die der Außendienst mit sich brachte.
Als dann Gumiela den Kopf in DeRiccis Büro (ein Eckbüro mit Fenstern, die einen wunderbaren Ausblick über die ganze Stadt boten) gesteckt hatte, um ihr einen Außendienstauftrag zuzuweisen, hatte Noelles Herz einen Salto geschlagen, aber nur, weil sie nicht gewagt hatte, vor Freude zu tanzen.
Der Auftrag war ihr zugefallen, da zwei der Opfer angesehene Bürger der Stadt waren: eine wohlbekannte Ärztin und ein bedeutender Richter. Gumiela wollte, dass dieser Fall von jemandem bearbeitet wurde, der ihn effizient und souverän zu lösen verstand – Worte, die Gumiela noch achtzehn Monate zuvor nie im Zusammenhang mit DeRicci benutzt hätte, die sie aber nun wie selbstverständlich mit ihr in Verbindung zu bringen schien.
Ich hätte den Fall selbst übernommen, hatte Gumiela gesagt, aber ich glaube wirklich, dass Sie der bessere Detective sind.
Was zutraf, doch in DeRiccis Ohren klang es überdies wie ein Omen. Dieser Fall könnte Probleme mit sich bringen – Probleme, die dazu führen mochten, dass sie diesen netten Posten wieder verlor, zusammen mit all den sonderbaren Annehmlichkeiten.
Derzeit war sie dabei, eine dieser Annehmlichkeiten zu parken: einen hochmodernen Luftwagen, der erst letzten Monat von der Erde importiert worden war. Nur höhere Beamte erhielten diese Dinger, und unter diesen auch nur die, die darauf bestanden, selbst zu fahren. DeRicci fuhr stets selbst. Sie mochte das Alleinsein, und sie hasste es aus tiefster Seele, sich auf jemand anders verlassen zu müssen.
Was sie in diesem Fall jedoch nicht würde umgehen können. In dem Moment, da der zunächst zuständige Detective die Opfer identifiziert hatte, hatte Gumiela ihn auch schon darüber in Kenntnis gesetzt, dass er einen neuen Partner bekommen würde.
DeRicci wusste, hätte sie diese Nachricht von Gumiela erhalten, sie hätte ihr das übel genommen. Und das hatte sie in der Tat auch bei den beiden Gelegenheiten, zu denen Gumiela ihr genau das in der Vergangenheit angetan hatte.
Das Parkprotokoll war in die Systeme des Luftwagens einprogrammiert. DeRicci musste nur laut den Namen der Straße nennen, und der Wagen fand von allein den besten Platz, um eine Person in ihrer
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