Miles Flint 05 - Paloma
erfahren hatte, auf einen Punkt brachte, dann würde er sagen, ja, sie hatte Recht, er mochte sie nicht.
»Ich sage nur, dass Sie ihm den Anzug nicht hätten überlassen sollen, und Sie hätten ihn – formell – befragen und die Befragung aufzeichnen müssen. Ich meine …«
»Wer sagt denn, dass ich das nicht getan habe?« Er konnte sich nicht auf die Blutspritzer konzentrieren, also drehte er sich ganz zu ihr um. Ein paar Techniker huschten vorbei. Einer bedachte ihn mit einem sonderbaren Blick, als missbillige auch er, dass Flint am Tatort gewesen war.
Flint war gerade im rechten Moment eingetroffen. Der Gefahrstoffalarm war beendet gewesen – eine Falscherkennung des gebäudeeigenen Sicherheitssystems –, und die Leute konnten das Gebäude wieder ungefährdet betreten.
Natürlich nutzte Nyquist die Quarantäne zu seinem Vorteil. Er wollte die Beweissicherung abschließen und anfangen, aufzuräumen, ehe die Bewohner zurück waren.
Doch auch das hatte er niemandem verraten.
»Soll das heißen, Sie haben ihn befragt?« Sie verschränkte die Arme vor der Brust. Sie war noch jung – vielleicht dreißig –, besaß einen explosiven Verstand und ein noch explosiveres Temperament.
Ihr Temperament gefiel ihm.
»Ich meine«, sagte er, bemüht, nicht zu langsam zu sprechen, schließlich sollte sie merken, dass er sie von oben herab behandelte, »dass ich Flints Reaktion vollständig aufgezeichnet habe. Wir werden sie analysieren, vielleicht sogar durch die Profilingmethode des Departments.«
»Das Programm? Was ist mit der Psychiaterin?«
»Durch die auch.« Obwohl Nyquist nicht viel auf eine Expertise von Menschenhand gab, die nicht von ihm selbst stammte.
»Sie haben das alles absichtlich so eingefädelt?«
Beinahe hätte er sie angeblafft. Was denken Sie denn? Glauben Sie, ich hege zärtliche Gefühle für den Mann? Stattdessen sagte er: »Bei meinen Ermittlungen geschieht alles absichtlich.«
Unter anderem, Khundred nicht auf dem Laufenden zu halten. Ursprünglich hatte er gedacht, sie wäre noch zu unerfahren. Inzwischen störte er sich mehr an ihrer buchstabengetreuen Auslegung von Regeln und Gesetzen.
Bei ihr musste alles nach Lehrbuch geschehen, alles musste offiziell passieren und ehrlich bis ins Kleinste. Was gar nicht dem Eindruck entsprach, den sie der Detective Squad vermittelt hatte, als sie für ihre Beförderung gekatzbuckelt hatte. Trotz allem, was die Vorschriften verlangten, waren die Detectives, die in Hinblick auf die Auslegung der Regeln besonders kreativ waren, auch die, die die meisten Fälle erfolgreich abschlossen und – Ironie des Schicksals – die meisten Verurteilungen erzielten.
»Ich wünschte, Sie hätten mir gesagt, was Sie tun«, sagte sie.
»In Flints Gegenwart?«, fragte Nyquist. Nicht, dass das etwas geändert hätte. Flint wusste, was Nyquist im Schilde führte. Von den einfachen Tricks, mit denen man Zivilisten hinters Licht führen konnte, ließ Flint sich nicht im mindesten beeindrucken.
Eine Weile hatte Flint mitgespielt. Dann hatte er PalomasLeiche gesehen, und seine ganze Haltung hatte sich geändert. Für einen Moment war er nahezu zusammengebrochen, und danach hatte er sich zusammengerissen, hatte sich kalt gegeben, wenngleich ein wenig irritiert.
Und er hatte die Blutspritzer angestarrt.
Was Nyquist nun auch zu tun gedachte, würde Khundred ihn nur in Ruhe lassen.
»Nicht in Flints Gegenwart«, sagte sie. »Sie hätten mich zur Seite nehmen können …«
»Und ihn allein lassen«, sagte Nyquist.
»Oder Sie hätten ihn gar nicht erst rauflassen sollen.«
»Dann hätte ich seine Reaktion nicht erleben können.« Nyquist musterte die Spritzer. Ein Teil war nicht verlaufen. Das beschäftigte ihn. Der Rest trocknete allmählich, zeigte aber immer noch deutlich, mit welch extremer Brutalität Paloma den Tod gefunden hatte.
»Diese vorgetäuschte Beinahe-Ohnmacht?«, sagte Khundred. »Bitte, das könnte ich genauso gut.«
»Ich auch«, sagte Nyquist. »Aber es wäre nicht die Reaktion, die ich absichtlich vorgespielt hätte.«
Sie legte den Kopf auf die Seite, um ihn zum Weiterreden zu ermuntern.
Doch er ließ sich nicht darauf ein. Wenn sie nicht wusste, wie schwer es war, nachgebende Knie vorzutäuschen – diese zeitlupenartige Bewegung war typisch für einen schweren Schockzustand –, dann begriff sie so oder so nicht, wovon er sprach.
Die meisten Blender schrien, lösten sich in Tränen auf oder keuchten theatralisch.
Flint hatte nichts von
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