Miles Flint 05 - Paloma
ermittelt – eine Frau, die ihren Ehemann mit einem Küchenmesser erstochen hatte.
»Nicht in der Nähe der Bombe, hoffe ich«, sagte DeRicci.
»Nein, ich musste mich nur fast vier Stunden lang mit einer Verrückten herumschlagen und mit dem Mann, den sie erstochen hatte.« Er griff zu seinem eigenen Teller. »Und um sie zu besänftigen, musste ich auch noch mit Engelszungen auf sie einreden.«
»Mich erstaunt, dass Sie das getan haben«, sagte sie.
»Mich auch«, entgegnete er. »Rückblickend glaube ich, es hätte wohl niemand gemerkt, wenn ich sie einfach umgebracht hätte, statt sie festzunehmen. Aber woher sollte ich das zu dem Zeitpunkt wissen?«
DeRicci schüttelte den Kopf. »Sie hätten das nie vergessen.«
»Ja«, sagte er leise. »Ich hätte es nie vergessen.«
Das war ein Tag, wie er ihn nicht noch einmal erleben wollte. Aber im Lauf seiner Berufstätigkeit hatten sich viele solcher Tage angesammelt. Ein neuer Partner – er wusste nicht, wie viele Partner die Geschichte zurücklag – hatte ihn einmal gefragt, warum er diesen Job nicht aufgab. Er hatte gesagt, es läge daran, dass er nicht wüsste, was er sonst tun könnte, aber die ehrliche Antwort hätte lauten müssen, dass er seinen Beruf an guten Tagen wirklich liebte und an den schlimmen Tagen immerhin das Gefühl blieb, gebraucht zu werden.
Darüber hinaus hatte ihn nie irgendjemand ernsthaft gebraucht. Nicht seine Ex-Frau, nicht seine Familie, nicht einmal die Handvoll Leute, die die Bezeichnung Freund verdienten.
Er selbst hätte auch gerne darauf verzichtet, einen Partner an seiner Seite zu haben. Und obwohl er sich immer wieder über seine Partner beklagte, lag das Problem im Grunde nicht bei ihnen. Es lag bei ihm selbst. Er zog es vor, allein zu sein und sich niemandem gegenüber verantworten zu müssen.
Vielleicht war das der Grund dafür, dass er so nervös reagierte, wenn er sich zu einer Frau hingezogen fühlte. Er hatte einfach keine Ahnung, wie er sich in irgendeiner Form von Partnerschaft zu verhalten hatte. Er war nicht sicher, ob er dazu überhaupt in der Lage war.
»Die Bombe ist immer noch eine echte Gesprächsbremse, nicht wahr?«, sagte DeRicci. »Wir alle kehren sofort zu jenem Tag zurück.«
Er nickte und fing an, Reis auf seinen Teller zu häufen. Das Knoblauchhuhn platzierte er obendrauf, das Curryrind daneben. Dann nahm er eines der Essstäbchen und bohrte es in die sich windende, knisternde Sauerei, aus der das ilidische Essen überwiegend bestand.
»Was ist das?«, fragte er.
»Es nennt sich Yringen«, sagte sie. »Man sagte mir, mit Arsen würde es besser wirken, aber ich möchte es heute mal ohne versuchen.«
Er schüttelte den Kopf, nunmehr überzeugt, dass sie scherzte. Arsen, ein Metall, wurde in vielen älteren Kriminalgeschichten für Giftmorde eingesetzt. Dies hatte stets als geheimnisvolle Mordmethode gegolten, bis das Thema in einem Test, den das Giftdezernat mit seinen Kadetten durchführte, zur Sprache gekommen war und sich dabei zu einer echten Denksportaufgabe gemausert hatte. Ein entsprechender Fall hatte sich auf dem Mond nie ereignet, weshalb das Giftdezernat seine Testfrage mit allerlei Unterhaltungsmaterialien hatte beleben müssen, angefangen von 2-D-Verfilmungen alter Kriminalromane, die die vergangenen Jahrhunderte überdauert hatten, bis hin zu aktuelleren Fällen, die sich jedoch alle noch vor dem zweiundzwanzigsten Jahrhundert auf der Erde ereignet hatten.
»So könnten sie es doch so oder so nicht servieren, nicht wahr?«, fragte er.
»Natürlich können sie«, sagte DeRicci. »Arsen ist zugelassen, auch hier, aber nur für bestimmte außerirdische Spezies und in sehr kleinen Dosen. Restaurants, in denen Menschen bedient werden, führen es nicht, weil es schon in minimalen Dosen schlimme Magenschmerzen hervorruft.«
Er hielt mit seinem Essstäbchen inne und wusste immer noch nicht, ob er das ilidische Essen nun probieren sollte oder nicht. »Woher wissen Sie das alles?«
»Ich könnte lügen und behaupten, es läge daran, dass ich in der Ausbildung ein Ass auf dem Gebiet der Giftarten gewesen bin, oder daran, dass ich Sicherheitschefin bin und wir nun einmal alles wissen müssen.«
»Aber?«, hakte er nach.
»Aber«, sagte sie, »man hat mich im Kreis der Detectives für eine Weile als die Giftfrau bezeichnet, was vor allem daran lag, dass diese Fälle in den Augen der Kollegen als unterste Schiene betrachtet wurden. Da starb irgendwer, entweder, weil er absichtlich vergiftet
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