Mindfuck: Warum wir uns selbst sabotieren und was wir dagegen tun können (German Edition)
waren, die im ersten Auswahlverfahren mit Abstand am besten abgeschnitten hatten.
Selbstwertprobleme oder die Neigung, sich unter Wert zu verkaufen, kommen häufig aus der inneren Angewohnheit, extrem hohe Maßstäbe an sich und andere anzulegen und sich dann entweder zu unter- oder überfordern. Für Menschen, die ihr eigenes Selbstwertgefühl niedrig einschätzen, ist es deshalb sehr häufig ein Aha-Erlebnis, wenn sie ihre Denk- und Verhaltensmuster auf den
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hin überprüfen. Viele erkennen, dass sie tatsächlich nicht nur an sich selbst, sondern auch an andere im Grunde unerfüllbare Anforderungen stellen.
Damit möchte ich nicht sagen, dass wir keine Qualitätsansprüche haben sollten. Der
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verwandelt den angemessenen Qualitätsanspruch jedoch in einen übertriebenen und unangemessenen Akt der Selbstsabotage, wenn wir uns damit unter Druck setzen, einschränken oder Beziehungen zu anderen stören.
Ich habe mit einem Mann gearbeitet, der alle Menschen, die er traf, in das Raster »Akademiker« oder »Nicht-Akademiker« einsortierte. Mit Nicht-Akademikern wollte er nichts zu tun haben. Er kam ins Coaching, als er erfuhr, dass sein neuer Vorgesetzter ein »selfmade man« ohne Studium war und er sich nicht vorstellen konnte, ihn ernst zu nehmen. Das gleiche Phänomen gibt es übrigens auch in umgekehrter Richtung. Ich habe einmal einen Handwerker beraten, der Schwierigkeiten hatte, mit Akademikern zu arbeiten. Er hielt sie alle für »blasierte Dummschwätzer« und geriet regelmäßig in Streit mit Auftraggebern, von denen er wusste, dass sie studiert hatten.
Mann oder Frau, alt oder jung oder die Frage des Bildungshintergrunds – es gibt im heutigen Geschäftsleben, aber auch in unserem Privatleben noch viele rigide
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mit denen sich Menschen selbst blockieren. Sie halten sich für weniger wert oder für überlegen und bekommen Schwierigkeiten mit denen, die sie auf der anderen Seite ihres Bewertungsrasters einordnen.
Besserwisserei als Dominanzgeste
Eine übertriebene Neigung zur Bewertung birgt nicht nur die Gefahr, sich selbst mit Perfektionismus zu überfordern und sich nicht mehr über Erfolge freuen zu können, sondern häufig auch den Hang, sich selbst und andere mit Besserwisserei zu bevormunden. Die Haltung
ich weiß es eben besser
stammt aus einem permanenten Bewertungsabgleich zwischen mehr oder weniger wissen. Wenn unser Innerer Wächter zur Besserwisserei greift, geht es ganz augenfällig darum, unseren höheren Status zu beweisen und andere auf ihren Platz zu verweisen. Dahinter verbirgt sich häufig die Angst, eben doch nicht zu genügen, schlechter zu sein und deshalb abgelehnt oder abgewertet zu werden. Perfektionismus und Besserwisserei hängen deshalb oft zusammen und bedrücken Menschen in vielerlei Hinsicht. Denn sie sorgen für Druck im eigenen Inneren und für nicht allzu gute Beziehungen mit anderen. Beziehungen werden im
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zu einem dauernden Wettbewerb, in dem es für alle Beteiligten schwer wird, sich auch einmal schwach zu zeigen und fallenzulassen.
Bewertungsspirale abwärts: Jammern
Perfektionismus und Besserwisserei sind die aggressiven Varianten dieses
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Jammern ist die depressive Form. Beim Jammern bringt der innere Soll-Ist-Abgleich mit der Realität nur negative Ergebnisse. Wir stellen uns vor, wie es sein sollte, und stellen dann fest, dass es in Wirklichkeit schlechter ist. Da Jammern suggeriert, dass wir schwach und hilfsbedürftig sind, wird es häufig offener ausgelebt als Perfektionismus. Es hat aber die gleiche lähmende oder aktivierende Wirkung – auf uns selbst und auf andere – wie die anderen Arten des
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In unserer eigenen Psyche können Phasen des ungehemmten Jammerns den gegenteiligen
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auf den Plan rufen: den
Übermotivations
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den wir noch genauer kennenlernen werden. Während wir kurz zuvor noch lamentierten, motivieren wir uns nun bei dieser Art der Selbstsabotage »auf Teufel komm raus« oder zwingen uns, die Dinge besonders optimistisch zu sehen. Beide Formen sind aber lediglich die Seiten der gleichen Medaille: Wir stolpern über unsere selbstgemachten Maßstäbe. Beim Jammern nehmen wir uns die Energie und fühlen uns stumpf und leer. Je nach dem Zeugnis, das wir uns gerade in Bezug auf unsere Umwelt ausstellen, fühlen wir uns euphorisch und dann wieder sehr elend. Die mit dem ständigen Auf- und Abwerten
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