Mira und das Buch der Drachen (German Edition)
Stadt. Polly Lux kauerte nun in dem Laderaum. Wo würden sie die Katze hinbringen?
Da hörte sie ein aufgeregtes Bellen. Draußen lief der schwarze Pudel über den Gehsteig. Mira kurbelte das Beifahrerfenster herunter. Der Pudel sprang hoch und stützte seine Vorderpfoten auf das Fenster.
»Es tut mir so leid!«, flüsterte Mira.
»Mach dir keine Sorgen. Wir werden Polly befreien. Eberhard hat schon die Vögel losgeschickt!« Dann wandte sich der Pudel an Corrado. »Und ihr fahrt jetzt besser los! Je eher ihr aus der Stadt verschwunden seid, desto besser.«
»Aber Polly ...«
»Lass das unsere Sorge sein!«
Mira nickte ihm zu. Sie sah zu Boden und schluckte ihre aufsteigenden Tränen hinunter. Auf keinen Fall wollte sie, dass die anderen sie weinen sahen.
»Mach’s gut, Mira!«, rief der Pudel.
»Ihr auch«, sagte sie gepresst. Sie legte ihre Hand auf das schwarze Fell des Hundes. »Sag den anderen vielen Dank und ich werde zurückkommen und das Manifest aufschreiben!«
»Wir warten auf dich«, erwiderte der Pudel. Er schleckte ihre Hand, dann ließ er vom Fenster ab und war bald nur noch als schwarzer Punkt auf dem Schnee zu erkennen.
»Polly Lux ist eine Legende«, erklärte Rabeus. »Sie wird freikommen, glaub mir.«
»Ich hoffe es«, murmelte Mira. »Oh, ich hoffe es!«
»He, vielleicht kann mal jemand aussteigen und schieben«, warf Corrado ein. »Dann kommen wir auch hier weg.«
Mira, Miranda und Rabeus stiegen aus. Corrado drehte den Zündschlüssel und legte mit einem scheußlich ratschenden Geräusch den ersten Gang ein. Mira steckte bis zu den Knien in dem Schneehaufen und schob den schaukelnden Käfer an, wobei sie von einer Abgaswolke eingenebelt wurde. Dann bewegte sich das Auto plötzlich vorwärts. Rabeus und Miranda sprangen neben Mira in den Wagen und das Auto röchelte die Straße entlang.
»Wir fahren!«, rief Corrado fast verwundert, während der Käfer über die Schneekuppen holperte. »Wir fahren!«
Als sie die Straße hinter sich ließen, drehte Mira sich um und blickte aus dem gerundeten Rückfenster. Das Café mit den schrillen Weihnachtskugeln im Schaufenster wurde immer kleiner. Über den Dächern war nur noch die glänzende Glaskuppel mit der Schneemütze zu sehen. In den Scheiben spiegelte sich das Weiß des Himmels. Mira konnte gerade noch sehen, wie eine Luke in der Kuppel aufging. War das ein Papagei, der sich in die Lüfte erhob?
Dann fuhr der orangefarbene Käfer an der Straße vorbei, in der Mira wohnte. Für einen Moment sah sie ihr schwarzes Fahrrad im Ständer stehen. Auf dem Sattel hatte sich bereits ein kleiner Schneehügel gebildet. Die Haustür stand immer noch offen. In Miras Magen fing es an zu rumoren. Wann würde sie durch diese Tür treten und ihre Mutter und ihre Tante wiedersehen?
Mira drehte sich um und versuchte all diese Gedanken abzuschütteln. Sie musterte stattdessen Corrado und Milena auf den vorderen Sitzen.
Corrado war ganz schmal und hatte lange, braune Rastazöpfe. Milena dagegen war klein und stämmig und trug einen gehäkelten Poncho. Ihre langen, dichten Haare waren hinten zu einem buschigen Zopf zusammengebunden und umrahmten ein freundliches, gutmütiges Gesicht.
»Wie kommt es, dass ihr hier seid?«, fragte Mira.
Miranda sah sie kurz an. »Nach unserem Gespräch heute Mittag habe ich mir Sorgen gemacht.«
»Und als Miranda das mit dem Stromausfall erzählt hat, war mir sofort klar, dass da etwas nicht stimmt!«, ergänzte Corrado.
»Wir haben schon von ähnlichen Fällen gehört. Die schwarzen Zauberer kappen den Strom und haben dadurch einen Vorwand, um in die Häuser und Wohnungen zu kommen. Dort suchen sie dann nach verwandelten Haustieren, um sie mit dem Pulver zu bestreuen«, berichtete Rabeus.
»Wie schrecklich!« Mira schauderte.
Corrado steuerte den Käfer in eine breite, viel befahrene Straße. »Ist euch klar, dass wir die letzten weißen Zauberer sind, die noch als Menschen herumlaufen?«
»Aber es gibt auch verwandelte Zauberer, bei denen der Vergessenszauber nicht wirkt. So wie Polly Lux und die geheime Armee«, warf Mira ein.
»Davon haben wir gehört!«, rief Corrado. »Cool, nicht wahr? Kann jemand mal wischen?«
Milena zog ein Taschentuch aus ihrer Fransentasche und putzte damit ein kleines Guckloch in die beschlagene Windschutzscheibe.
»Wohin fahren wir?«, fragte Mira.
»Zu Thaddäus«, antwortete Miranda. »Wir müssen unbedingt herausfinden, was mit ihm ist. Ich habe heute noch zweimal nach ihm in
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