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Mira und das Buch der Drachen (German Edition)

Mira und das Buch der Drachen (German Edition)

Titel: Mira und das Buch der Drachen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Margit Ruile
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hörte, wie der Handwerker mit schweren Schritten den Gang entlangging. Sie wartete noch kurz, um sicherzugehen, dass er sie nicht hören konnte.
    »Tante Lisbeth«, flüsterte sie schließlich.
    Klirr! Tante Lisbeth war das Messer zu Boden gefallen. Sie hob es eilig wieder auf und legte es mit zitternden Fingern auf den Tisch. Dann sah sie sich verschreckt in der Küche um.
    »Hier, ich komme aus dem Toaster!«, wisperte Mira. Tante Lisbeth blickte in die spiegelnde Oberfläche des Geräts, und obwohl sie Mira nicht sehen konnte, gelang es ihr, dem Mädchen einen strengen Blick zuzuwerfen.
    »Musst du mich immer so erschrecken!«
    »Es tut mir leid!«
    »Das hoffe ich!« Tante Lisbeth schnaufte einmal tief durch. »Was um Himmels willen hast du mit dem Toaster gemacht?«
    »Gar nichts! Ich spreche mit dir durch eine Kugel. Aber ich kann dich nur sehen, wenn du dich in etwas spiegelst. Und hier in der Küche ist es eben der Toaster.«
    »Aha«, sagte Tante Lisbeth. Sie beugte sich zu der spiegelnden Fläche und war nun ganz groß und etwas verzerrt in der Kugel zu sehen.
    »Wie ... wie geht es Mama?«, fragte Mira.
    »Gut so weit«, sagte Tante Lisbeth knapp.
    »Sie macht sich keine Sorgen?«
    »Nicht, nachdem ich ihr erzählt habe, dass du bei deiner besten Freundin übernachtest.«
    Mira schwieg. Sie brauchte einen Moment, um die Nachricht zu verdauen.
    »Du hast doch eine beste Freundin, oder?«, fragte Tante Lisbeth. »Kinder in deinem Alter haben immer eine beste Freundin. Jedenfalls wusste deine Mutter gleich, wen ich meinte.«
    Mira dachte an ihre Freundin Ina. Sie war so unendlich weit weg in diesem Moment. Und sie ertappte sich bei dem Gedanken, dass sie jetzt lieber bei ihr in ihrer behaglichen Wohnung wäre als hier mitten auf einem zugefrorenen See, in einem Abenteuer, dessen Ausgang sie nicht kannte.
    »Danke, dass du das für mich getan hast«, sagte sie schließlich.
    Tante Lisbeth sah sie mit gerunzelten Augenbrauen an. »Was sollte ich denn sonst machen? Deine Mutter zu Tode erschrecken?«
    Mira zog bereits den Kopf ein, weil sie eine Strafpredigt erwartete, doch es folgte nur ein langer Seufzer.
    »Ich hätte dir auch nicht geholfen, wenn ich gestern nicht dieses Tier auf der Straße getroffen hätte.«
    »Was für ein Tier?«, fragte Mira.
    »Ein schwarzer Pudel. Und er hat mit mir gesprochen.« Tante Lisbeth lachte etwas kraftlos. »Stell dir vor! Ich spreche mit Tieren! Er sagte, dass du in Sicherheit wärst und ich mir keine Sorgen machen sollte. Ha! Da dachte ich mir, wenn ein schwarzer Pudel das sagt, dann muss es ja wohl stimmen.« Sie sah missvergnügt aus. »Und was wird als Nächstes passieren? Werden sich irgendwelche Menschen vor mir in Luft auflösen?«
    »Das weiß ich nicht, Tante Lisbeth«, flüsterte Mira wahrheitsgemäß.
    »Es macht wohl keinen Sinn, dich zu fragen, wo du bist?«
    »N...nein«, antwortete Mira.
    »Aber ich nehme wohl an, dass du vor Weihnachten zurückkommst.«
    »Ja«, sagte Mira leise. Sie musste nur die längste Nacht des Jahres überstehen.
    Aber das sagte sie natürlich nicht Tante Lisbeth.
    »Du kannst nämlich nicht ewig bei deiner ›Freundin‹ bleiben, ohne dass deine Mutter Verdacht schöpft.«
    »Ich weiß.« Mira schluckte. »Tante Lisbeth!«
    »Ja?«
    »Wenn du den Pudel wiedersiehst, dann richte ihm meine besten Grüße aus und sag ihm ...« Mira stockte. »Sag ihm, dass ich hoffe, dass es Polly Lux gut geht.«
    »Wem?«, fragte Tante Lisbeth.
    »Einer Katze. Sie lebt da oben unter der Glaskuppel, ein paar Häuser von uns entfernt, und führt die Geheimarmee der Haustiere an.«
    »Aha«, antwortete Tante Lisbeth.
    »Und noch was ...« Mira senkte die Stimme. »Ihr dürft diesen Handwerkern oder wer immer sonst noch auf euch zukommt, nicht trauen.«
    Tante Lisbeth brachte nun fast so etwas wie ein Lächeln zustande.
    »Nur dass es dir klar ist: Ich mag sie immer noch nicht, deine komischen Freunde.« Sie beugte sich vor. »Aber diese Handwerker mit ihren Fragen, die mag ich noch weniger.«
    In diesem Moment tauchte der Mann in dem blauen Overall im Türrahmen auf.
    »Vorsicht!«, flüsterte Mira.
    Tante Lisbeth zuckte zusammen und drehte sich um.
    »Sprechen Sie eigentlich immer mit Ihrem Toaster?«, fragte der Mann neugierig.
    Mira hielt die Luft an und hoffte, die Krähen über ihr würden sie nicht durch ihr Gekrächze verraten.
    Tante Lisbeth verschränkte die Arme und sah den Mann herausfordernd an. »Ja, das tue ich«, sagte sie bestimmt.

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