Mira und das Buch der Drachen (German Edition)
anvertraute. Und schließlich stand vor ihr der weiße Drache, Cyril de Montignac. Sie blickte in seine Augen. Sie waren dunkelgrün mit braunen Sprenkeln.
Und dann sah sie sich selbst in seinen Augen. Mira war älter, fast schon erwachsen, und ein Leuchten umgab sie.
In diesem Augenblick schlug sie die Augen auf.
Die schwarze Hexe hatte sie die ganze Zeit beobachtet. »Hast du nun begriffen, dass das Leben so ist und nicht anders? Ist dir klar, warum du zu mir kommen musst ?«
Mira schüttelte den Kopf und wischte sich mit der Handfläche die Tränen von der Wange. »Nein«, sagte sie leise. »Auch wenn ich sonst nirgendwo hingehöre, zu Euch werde ich nie gehören.«
Es war eine Weile ganz still. Selbst der Pianist im Ballsaalhatte aufgehört zu spielen. Winterwinde zogen um das Haus und zerrten an den Fensterläden.
Die Hexe war nun sehr blass. »Dann bleibt mir nichts anderes übrig, als dich zu vernichten.«
Mira sah noch einmal in die dunklen Augen und spürte eine Schwäche, einen unendlichen Schwindel und eine große Kälte, die von ihr Besitz ergriffen. Alles wurde schwarz um sie herum. Schön, dass ich bald alles vergessen kann , dachte sie.
In diesem Moment fühlte sie die Karte in ihrer Hand. Sie wurde wärmer und wärmer, bis sie schließlich fast glühte.
War das – das Silbermännchen?
Mira zog die Visitenkarte aus ihrer Tasche und legte sie auf den Schreibtisch. Die blauen Buchstaben leuchteten heller als je zuvor. Heller als die Kerze, die nun unruhig flackerte. Und noch bevor die schwarze Hexe etwas unternehmen konnte, flüsterte Mira: » Lies mich! «
Ein leichter warmer Wind zog durch den Raum. Die Flamme der Kerze erlosch und zugleich fingen die Buchstaben über der Karte zu tanzen an und verschmolzen zu dem Silbermännchen. Es trug diesmal wieder sein altmodisches Wams und den Hut mit der Feder und strahlte in silbernem Licht.
24. Kapitel
in dem die schwarze Hexe sich erkennt
»Du?«, rief die schwarze Hexe und starrte fassungslos auf das kleine Wesen unter ihr. »Wie kommst du hierher?«
Das Silbermännchen zuckte für einen Moment zusammen, doch dann stemmte es seine Arme in die Hüften. Die Feder auf seinem Hut zitterte. »Ich komme, weil ich gerufen wurde!«
Die schwarze Hexe stand auf und funkelte den Silbermann wütend an. »Wie kannst du gerufen werden? Ich habe doch alle deine Karten vernichtet!«
»Alle bis auf eine«, warf Mira aus dem Hintergrund ein. Ihre eigene Stimme klang fremd und leise in ihren Ohren.
Das Silbermännchen drehte sich um und sah sie erstaunt an.
»Ich war’s«, sagte Mira leise und lächelte schwach. »Ich habe dich beschworen, denn ich habe deine Karte wieder!«
Der Silbermann strahlte mit einem Mal heller. »Du hast es also geschafft!« Dann zog er seinen Hut vom Kopf und verbeugte sich leicht vor Mira.
»Und du hast Albert die Karte weggenommen. Das ist mehr, als ich zu hoffen wagte!«
Die schwarze Hexe starrte das Silbermännchen verblüfft an. »Du hast für Albert gearbeitet?«
»Ja, diese große Ehre wurde mir in den letzten Monaten zuteil!« Das Silbermännchen setzte sich mit einer schwungvollen Bewegung den Hut wieder auf. »Es war mindestens genauso aufregend, wie Euch zu dienen«, fügte es mit einem leichten Grinsen hinzu.
Die Augen der Hexe verengten sich zu Schlitzen. »Freu dich nicht zu früh! Mira wird dich nicht mehr lange besitzen.«
Das Silbermännchen sah von der schwarzen Hexe zu Mira. »Was hast du?«, fragte es beklommen.
»Ich weiß nicht«, flüsterte Mira. Sie hielt sich mit den Händen an der Lehne des Ledersessels fest. Das Silbermännchen sah plötzlich ganz verschwommen aus.
»Ich habe sie verflucht!«, rief die schwarze Hexe. »Das geschieht, wenn man sich weigert, auf meine Seite zu kommen! Gerade du solltest das wissen.«
Das Silbermännchen wurde für einen kurzen Moment sehr hell. Es erinnerte Mira an den Blitz, den Netaxa ausgesandt hatte. Ach, könnte sie doch nur sprechen, dann würde sie dem Silbermännchen von Netaxa erzählen! So aber fühlte sie sich viel zu schwach dafür.
»Mira«, sprach das Silbermännchen und sah ihr in die Augen. »Mira, gib nicht auf, versprich mir das!« Mira nickte. Sie wollte lächeln und ihm noch etwas sagen – aber warum war sie nur so erschöpft?
Das Silbermännchen drehte sich zu der schwarzen Hexe um. »Nehmt diesen Fluch zurück!«
»Warum sollte ich das tun?«
»Weil Ihr sonst nie das letzte und das wichtigste Geheimnis erfahren werdet.«
Die Hexe sah
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