Mirad 02 - Der König im König
sich mit Wucht in seine linke Brust gebohrt hatte. Offenbar war nicht sein Herz getroffen worden, denn sonst hätte er unmöglich so lange aufrecht stehen können. Und jetzt sammelte er sich sogar, holte tief Luft, brüllte jäh aus voller Kraft und riss sich die Spitze der Waffe am Schaft aus dem Leib.
Die Ungeraden hatten innegehalten, wohl um zu sehen, ob der bärenstarke Recke in die Knie gehen würde, doch jetzt stimmten sie erneut ihr Kampfgeschrei an und warfen sich wie besessen auf den Waffenmeister.
Obwohl schwer verletzt, kämpfte Falgon weiter. Immer wieder lichtete sich das Getümmel und Múria konnte kurze Blicke auf ihn erhaschen. Erst als sie sah, wie er sich gegen die Übermacht aufbäumte und immer noch etliche von ihnen niederschlug, fiel die Starre von ihr ab. Gerade wollte sie loslaufen, um mit ihrem Schwert erneut unter die Ungeraden zu fahren, als diese abermals zu johlen begannen.
Einer der Gegner hatte einen langen Spieß durch Falgons Oberschenkel gebohrt. Der Waffenmeister brach mit dem verletzten Bein ein. Trotzdem stach er einem Wagg, der sich wohl schon des Sieges sicher gewähnt hatte, Biberschwanz ins offene Visier. In diesem Moment wurde Falgon von der Streitkeule eines anderen Kämpfers an der Stirn getroffen und fiel nach hinten zu Boden.
Ein Moment der Stille trat ein. Einen so mächtigen Krieger gefällt zu haben, war wohl selbst für die Waggs ein ergreifender Augenblick. Múria sah ihren Liebsten auf dem Rücken liegen. Sie taumelte auf ihn zu. Ihre Hand war nach Falgon ausgestreckt. Tränen liefen ihr in Sturzbächen über das Gesicht. Sie ahnte, dass sie ihm nicht mehr helfen konnte, lief aber trotzdem mit unsicheren Schritten auf ihn zu. Plötzlich wurde sie grob am Arm gepackt.
»Ihr könnt nichts mehr für ihn tun«, sagte eine Stimme, die sie in ihrer Benommenheit nicht erkannte.
Als habe den Waggs nur ein Stichwort gefehlt, hoben sie erneut ein ohrenbetäubendes Geschrei an und fielen über den Waffenmeister her. Die Ungeraden waren so sehr in ihrem Blutrausch gefangen, dass sie auf die beiden Gestalten, die in die Klamm verschwanden, nicht achteten.
Tiko zerrte Múria unerbittlich weiter. Als sie Dormund erreichten, hörte sie auf sich weiter zu sträuben. Der Schmied kam gerade wieder zu sich, wirkte aber noch sehr orientierungslos.
Sie starrte nur mit glasigen Augen zum Ende der Klamm, wo die Ungeraden ihren Sieg feierten. Ab und zu sah sie im Gewusel der Leiber und Gliedmaßen etwas Rundes in die Luft fliegen und wieder ins Getümmel zurückfallen. War das Falgons Helm oder…?
»Sie werden gleich wieder angreifen. Wir müssen schleunigst weg hier«, drängte Tiko.
Múria reagierte nicht. Selbst als Schekira auf ihrer Schulter landete, starrte sie weiter auf das Gewühl kreischender und johlender Waggs.
»Herrin!«, schrie er.
»Quäle dich doch nicht so, große Schwester«, fügte die Elvenprinzessin in flehentlichem Ton hinzu.
Endlich wandte sie sich von dem grausamen Siegesfest ab und sah mit ausdrucksloser Miene in das junge Gesicht des Schmieds.
»Wollt Ihr wirklich, dass wir alle sterben, Herrin Múria?
Sollen die Waggs uns überrennen? Sie werden Ergil und Twikus folgen und mit Sicherheit einholen. Soll alles umsonst gewesen sein?«
Sein verzweifelter Appell zeigte Wirkung. Sie blinzelte, als sei sie gerade aus dem Schlaf erwacht. Dann begann sie langsam den Kopf zu schütteln. »Nein«, flüsterte sie voll Bitterkeit. »Wenn das geschähe, wäre Falgons Tod sinnlos gewesen. Komm!«
Die beiden halfen Dormund auf die Beine, nahmen ihn zwischen sich und führten ihn tiefer in die dunkle Klamm hinein. Nach etwa sechzig oder siebzig Schritten sagte Múria: »Ihr zwei geht weiter. Du, kleine Schwester, begleitest sie. Ich muss hier bleiben und alleine kämpfen. Was auch immer passiert, bleibt nicht stehen und dreht euch nicht um. Folgt der Schlucht bis zu den Tieren. Wenn möglich, werde ich dort zu euch stoßen.«
»Wenn möglich?«, wiederholte Dormund ächzend. Wie man im spärlichen Licht der fernen Flammen gerade noch erkennen konnte, war sein Gesicht von der Nase abwärts dunkel von Blut.
Múria drückte seine Hand. »Falls ich meinem Liebsten folgen sollte, dann musst du mit Tiko dafür sorgen, dass niemand den Zwillingen nachjagt.«
»Aber…«
»Geht jetzt«, unterbrach sie ihn und wandte sich von den beiden Schmieden ab. Ohne sich noch einmal umzudrehen lief sie in Richtung Vorplatz davon.
Tiko und Dormund stolperten schweigend durch
Weitere Kostenlose Bücher