Mirad 03 - Das Wasser von Silmao
Hinter ihm an der Wand hingen an einer hölzernen Zapfenleiste mehrere Schwerter, einige waren nur Rohlinge, andere wohl von ihren Auftraggebern noch nicht abgeholt. Der kleine Susaner war flink wie ein Wiesel.
Aber nicht so schnell wie Kaguan.
Die Fingerspitzen des Schmieds berührten gerade das Heft eines schon fertigen Breitschwertes, als der Zoforoth ihm mit einem riesigen Satz in den Rücken sprang.
Der Getroffene wurde nach vorne gestoßen und krachte gegen die aufgereihten Waffen, dass es nur so schepperte. Vier oder fünf Schwerter rutschten aus ihrer Aufhängung. Wie durch ein Wunder verfehlten die herabfallenden Klingen Tikos Füße. Ein Knauf jedoch, der wie eine Kugel geformt war, schlug mit Wucht gegen seine Stirn. Trotzdem wandte er sich noch, torkelnd wie ein Betrunkener, zu seinem Gegner um. Irgendwie hatte der Schmied eine der Waffen zu fassen bekommen und bemühte sich, damit auszuholen. Aber seine Bewegungen waren zu träge. Ehe er das Schwert heben konnte, wurde es ihm schon vom Fuß des Chamäleonen aus der Hand gerissen. Danach traf ihn eine knöcherne Faust am Kinn. Tiko verdrehte die Augen, seine Knie knickten ein und Kaguan riss ihn vollends zu Boden.
So mitleidlos wie eine Gottesanbeterin machte der Zoforoth sich über sein Opfer her, das, halb betäubt, zu keiner nennenswerten Gegenwehr mehr fähig war. Zuerst drehte er es grob auf den Rücken, um sich wie ein riesiger Blutsauger auf dessen Bauch zu setzen. Hiernach schloss er die runden Backen der Zange um den Hals des Mannes und überschüttete ihn mit kaltem Spott.
»Du hättest wohl nicht gedacht, dass wir uns so bald Wiedersehen, nicht wahr, Tiko Bartarin?« Kaguan lachte nur höhnisch, als der Schmied sich unter ihm aufbäumte, verstärkte den Druck an der Zange und flüsterte: »Bleib ganz ruhig, mein Kleiner. Du hast das Schlimmste schon hinter dir. Was jetzt kommt, ist für den Moment vielleicht unangenehm, aber danach wird es dir eine wahre Freude sein, mir mit deinem Wissen und deinem Geschick zu dienen.«
Der Susaner stemmte sich nur noch heftiger gegen den auf ihm lastenden Körper an und versuchte zu schreien. Daraus wurde jedoch schon nach kurzer Zeit ein schwaches Röcheln, weil ihm rasch die Puste ausging. Während die Hauptklauen des Zoforoths das Opfer weiter mit der Zange am Boden hielten, griff seine unversehrte Nebenhand nach hinten in den Beutel.
Kaguan fühlte einmal mehr die warmen, kleinen, pelzigen Körper, die wohl ebenso aufgeregt waren wie er. Endlich konnten sie ihrer Natur freien Lauf lassen. Seine vier Krallenfinger formten gleichsam einen Käfig, in dem er die sich windenden Helferlein sicher zu den Körperöffnungen ihres zukünftigen Wirts befördern konnte: Augen, Nase und Ohren. Als er die Hand gerade aus dem Beutel ziehen wollte, erschien im offen stehenden Tor ein helles Licht, das Dormunds Funzel bei weitem überstrahlte.
Der Zoforoth erstarrte. Da musste jemand, während er mit dem Bartarin beschäftigt gewesen war, auf den Hof der Schmiede geschlichen sein. Kaguan ahnte bereits, um wen es sich dabei handelte. Unbändige Wut stieg in ihm auf und seine Schuppen rasselten wie der Schwanz einer Klapperschlange. Er war diesem grünen Gleißen schon mehrmals begegnet und immer hatte es ihm Verdruss gebracht.
3
DER EISIGE FLUCH
Die Silberginkgo pflügte leicht wie ein Delfin durch das Schollenmeer. Gleichwohl spürte der junge König von Soodland, wie sich das lebendige Schiff nur widerstrebend dem Willen von Kapitän Bombos Steuermann fügte. Der Segler glich einem wilden Tier, das seine unbändige Kraft nicht jedem lieh. Aber selbst der mächtigste Leviatan verschont die in seinen Zähnen herumpickenden zarten weißen Vögelchen, weil sie ihn von lästigen Parasiten befreien. Was sich nützt, das frisst sich nicht. In diesem Sinne hatte Ergil auf die Silberginkgo eingewirkt, um ihr Wohlwollen zu gewinnen. Dem Durchdringer war nicht entgangen, woran es dem Sirilimschiff mangelte. Es wollte nicht fest vertäut am Hafenkai von Sooderburg liegen, sondern frei sein wie ein Fisch im Ozean. Aber in den vergangenen Jahrtausenden hatte es nur reglos in der Zwischenwelt verharrt. Daher hatte Ergil dem Viermaster am Abend einen stürmischen Ritt über die Wellen des Soodlandbelts versprochen. Das freudige Zittern, das darauf durch die Takelage gegangen war, hatte selbst ihn überrascht. Der ehemalige Flusspirat Bombo musste sich hingegen erst noch an das seltsame Eigenleben des
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