Mirad 03 - Das Wasser von Silmao
Bank. »Das kann nicht dein Ernst sein, Inimai!«
»Du bist zur Hälfte ein Sirilo und kannst vermutlich viele hundert Jahre leben.«
»Mag ja sein, aber mir fehlt die Zeit für diese… Versenkung im Licht, oder was immer damit gemeint sein mag…«
»Kontemplation«, unterbrach sie ihn. »Tiefes Nachsinnen über das Gute in all seinen Facetten.«
»Hundert Jahre lang?«, keuchte Ergil.
»Bei deinem starken Willen dürften achtzig auch genügen.«
»Bis dahin ist meine Mutter mit Sicherheit tot. Ich muss ihr jetzt helfen. Wie lange kann sie ohne ein Gegengift noch leben? Ein Jahr?«
»Das lässt sich nur schätzen. Ich habe, während du in Bjondal warst, einige Berechnungen angestellt: Die vermutete Giftmenge, die körperliche Verfassung Vanias, deine Schilderung von der Verzögerung in der Zwischenwelt…« Múria schüttelte mit versteinerter Miene den Kopf. »Ihr bleiben vielleicht vier Monate nach unserer Zeit. Höchstens fünf.«
»So wenig!«, stieß Ergil hervor. Er ballte die Fäuste, weil er den Zorn in sich aufsteigen spürte, aber als er die besorgten Mienen der beiden Frauen bemerkte, zwang er sich zur Ruhe.
»Vielleicht gibt es doch eine Hoffnung für die Königin und dich, mein Retter«, meldete sich erneut Schekira zu Wort. »Du weißt, dass mein Volk über einen reichen Sagenschatz verfügt. Die aphim sind mir daher nicht ganz unbekannt. Bei uns Elven gibt es ein Sprichwort, das lautet: ›Die vollkommene Liebe ist ein scheuer Vogel, der nur in einem reinen Herzen nistet.‹«
»Die vollkommene Liebe?«
Schekira nickte. »Wem es gelinge, sie bei sich wohnen zu lassen, der brauche die Zornissen nicht zu fürchten, hat meine Mutter mir erzählt.«
»Ist es denn je einem gelungen, die vollkommene Liebe in sein Herz einziehen zu lassen?«
Die Prinzessin zuckte die Achseln.
»Mir ist auch keiner bekannt«, sagte Múria. »Ich weiß nur eines: Wer von den Zornissen befallen wurde und sich vor der Meditation über das Licht gedrückt hat, ist innerhalb weniger Wochen oder Monate elendiglich zugrunde gegangen.«
Ergils Blick sprang hilflos zwischen der Elvin und der Heilerin hin und her. »Ich liebe meine Mutter über alle Maßen. Vielleicht genügt das ja, um die Zornissen verkümmern zu lassen. Oder wenigstens ihre Entwicklung zu hemmen, bis ich ein Gegengift gefunden habe.« Er berichtete, was Tiko über die Expedition von Harkon Hakennase erzählt hatte, und fügte die Frage an: »Hast du eine Ahnung, wohin die Ginkgoblüte von Silmao aus gesegelt ist? Tiko und ich vermuten, Harkon könnte nach Osten aufs Nimmermeer hinausgefahren sein.«
»Westen«, erwiderte die Geschichtsschreiberin ohne zu zögern.
»Wie kommst du darauf…?« Ein lautes Klopfen ließ Ergil innehalten. »Ja bitte?«
Die Tür schwang quietschend auf und Popi stürzte herein. Auf seinem blassen Gesicht lag ein Ausdruck des Entsetzens. Draußen wartete ein zweiter Mann, der ebenfalls zur Leibgarde des Königs gehörte.
»Er wollte fliehen. Einen der Wächter hat’s ziemlich schlimm erwischt«, sprudelte der junge Ritter hervor, noch ehe er die Sitzgruppe vor dem Kamin ganz erreicht hatte.
»Wer?«, entgegnete Ergil, obwohl er die Antwort schon ahnte.
»Kaguan!«, schrie Popi aufgeregt.
Der König fuhr von der Bank hoch. »Wo ist der Zoforoth jetzt?«
»Nach wie vor in seiner Zelle. Er hat einen Mann durch die Gitterstäbe angegriffen. Vermutlich wollte er dessen Kameraden dazu bewegen, ihm die Schlüssel zu geben. Als der stattdessen mit dem Spieß auf den Chamäleonen losgegangen ist, gab’s einen heftigen Kampf.«
»Aber der Gardist lebt?«
»Ja. Er liegt immer noch im Verlies. Der Wundarzt kümmert sich gerade um ihn.«
Ergils Blick wurde glasig. Alles schien sich gegen ihn verschworen zu haben. Als wolle jemand mit Gewalt verhindern, dass er sich um die Rettung seiner Mutter kümmerte… Er blinzelte. »Danke, Popi. Ich komme gleich nach unten, um mir selbst ein Bild zu machen. Bis dahin soll im Kerker nichts verändert werden. Sag das deinem Kameraden, damit er seinen Kommandanten unterrichtet. Außerdem möchte ich zusätzlich sechs Lanzenträger und sechs Bogenschützen im Verlies haben. Möglicherweise werde ich sie brauchen.«
»Willst du den Chamäleonen hinrichten lassen?«
»Nicht, wenn es sich vermeiden lässt.«
Popi nickte und zog sich zurück.
»Ich werde dich begleiten, Ergil, und mir den Verletzten ansehen«, erklärte Múria.
»Ja. Aber wir dürfen uns nicht verzetteln.«
»Was meinst
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