Mirad 03 - Das Wasser von Silmao
Lichter, steh mir bei! Wahrscheinlich hat Kaguan mich aus boshafter Berechnung zum Zorn gereizt, bevor er die Biester nach mir warf.«
Múria nickte. »Damit hast du, ohne es zu wissen, den Köder ausgeworfen, der die Zornissen anlockte.«
»Und danach bin ich vor Wut fast durchgedreht.«
»Womit du sie zum ersten Mal gefüttert hast.«
»Gefüttert? Beim Allmächtigen! Als er mich eben im Kerker mit Nichtachtung strafte, hat er mich auch fast zur Weißglut gebracht…«
»Was beweist, dass die Zornissen bereits Macht über deine Gefühle haben.«
»Ich glaube, ich muss mich übergeben.« Ergil rutschte von der Bank und schaffte es gerade noch, mit dem Oberkörper die Teppichkante zu überqueren. Dann erbrach er sich auf den Steinfußboden vor dem Kamin.
Sofort waren Múria und Schekira zur Stelle. Während die Elvin ihm durch Worte Mut zu machen versuchte, half die Heilerin ihm wieder auf die Beine, führte ihn zur Bank zurück, und nachdem er darauf Platz genommen hatte, ließ sie ihre Hand sanft auf seinem Bauch kreisen, um die rebellierenden Eingeweide mit ihrer Körperwärme zu beruhigen. Als es ihm etwas besser ging, säuberte sie rasch den Boden vor dem Kamin.
Mit glasigem Blick beobachtete Ergil sie dabei. Nur allmählich klärte sich sein umnebelter Geist. Mit einem Mal stammelte er: »K-kann… Kann man denn nichts gegen die kleinen Ungeheuer tun?«
Múria putzte die Steine und schwieg.
Verzweiflung brach aus ihm hervor. »Inimai! Was passiert mit mir, jetzt, wo sich die Zornissen in mir eingenistet haben?«
Sie hielt inne und musterte ihn mit besorgter Miene. »Vielleicht sollten wir später darüber reden, mein Lieber, wenn es dir wieder besser geht.«
»Nein. Ich muss es jetzt wissen«, beharrte er.
Bedächtig wischte sie ihre Hände an einem sauberen Tuch ab, kehrte in ihren Sessel zurück und sagte leise: »Gewöhnlich gehen die Wirte an ihnen zugrunde. Die Glücklicheren sterben schnell, während die Parasiten noch im Kopf wachsen. Schlimmer sind jene dran, die sich in willenlose Diener des Bösen verwandeln und Übles treiben, bis sie sich dadurch selbst zerstören.«
Ergil glaubte, sein Kopf müsse jeden Moment explodieren. Aber das war nur Einbildung. Ebenso der Schwindel, den er verspürte. »Und was«, flüsterte er aus einer selbstquälerischen Neugierde heraus, »passiert mit den Zornissen?«
Wieder zögerte Múria, bis sie endlich mit tonloser Stimme antwortete: »Sie verpuppen sich, sobald sie groß und fett genug geworden sind. Später schlüpft ein wunderschöner Schattenfalter aus dem Kokon. Der Schmetterling bahnt sich einen Weg aus dem Körper seines Wirtes. So als würde alles Gute, das dieser einmal besessen hat, ihn für immer verlassen.«
»Hätte ich die Raupe doch einfach zertreten!«
»Wie bitte?«
»Bei Kaguans erstem Angriff war eine Zornisse zu Boden gefallen. Anstatt sie unter meinem Stiefel zu zermalmen, habe ich mein Schwert gesenkt und mir so eine Blöße gegeben.«
»Die der Zoforoth natürlich schamlos ausgenutzt hat.«
Ergil nickte. »Kann man…« Er musste sich erst mit der Zunge über die Lippen fahren, ehe er weitersprechen konnte. »Kann man die Schmarotzer irgendwie wieder loswerden?«
Die Heilerin schöpfte tief Atem. »Die Sirilim glaubten, man könne die Zornissen aushungern, indem man sich allen dunklen Gefühlen verschließe und nur die lichten Regungen sich entfalten lasse: Liebe, Freude, Friedfertigkeit, Langmut, Freundlichkeit, Güte, Milde, Selbstbeherrschung…« Ihre Stimme versickerte in Ratlosigkeit.
»Ich gebe mir zwar Mühe, ein ehrenhafter Mann zu werden, aber ich bin kein Heiliger«, sprach Ergil aus, was Múria wohl durch den Kopf ging.
Sie nickte. »Selbst in den Schönen wohnten nicht nur Tugenden, sondern auch böse Neigungen. Manche nahmen den Kampf gegen die Parasiten nur halbherzig auf. Die Zornissen verkapselten sich, wie Tiere, die sich tot stellen, und brachen bei der nächsten starken Gefühlsaufwallung der finsteren Art wieder hervor. Nur wenn man die Raupen sehr lange von jeder dunklen Regung abschneidet, gehen sie ein. Besser gesagt, sie werden zu einem harten Kristall, der keinen Schaden mehr anrichten kann, außer vielleicht ein gelegentliches Druckgefühl.«
Ergil schöpfte Hoffnung. »Was genau muss ich tun, um die Biester auszuhungern, und wie lange dauert diese Behandlung?«
»Du musst dich der ›Meditation über das Licht‹ widmen, ungefähr ein Menschenalter lang.«
Die Antwort warf ihn fast von der
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