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Mirad 03 - Das Wasser von Silmao

Titel: Mirad 03 - Das Wasser von Silmao Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ralf Isau
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ich kenne sie gut! Das Geschlecht der ›Nacktsamer‹ – wir ziehen es in Floranien vor, sie so zu nennen, weil… Wollte ich nicht gerade etwas ganz anderes erzählen? Na, jedenfalls gehörten die Nacktsamer zu den Ersten, die mir bei der Gründung meines Reiches halfen, obwohl es nie besonders viele waren. Mit den Sirilim verband die Ginkgos eine besonders enge Freundschaft, ja, man kann wohl sogar mit Fug und Recht von einer Zweckgemeinschaft sprechen. Die Schönen nannten sie übrigens ›Goldfruchtbäume‹. Es war ein harmonisches Geben und Nehmen: Für die Pflege der einen gaben die anderen ihnen einen besonderen Saft, der sie belebte und ihre seltenen Verletzungen heilte. Abgesehen von dieser Verbundenheit mit den Nacktsamern und einigen wenigen anderen Pflanzen wie den Zungenbäumen fühlten sich die Sirilim in Floranien hingegen nur noch geduldet. Das Alte Volk fürchtete wohl, einmal das Schicksal ihrer missratenen und von uns vertriebenen Geschwister zu teilen. Jedenfalls beschlossen die Schönen eines Tages auszuwandern.
    Sie wollten ihren Neuanfang im Westen suchen, weil die Überquerung oder Umschiffung des Weltenbruchs für ein ganzes Volk zu viele Gefahren barg. Um ihren Plan zu verwirklichen, brauchten sie eine Flotte. Daher überredeten sie die ›Wandellinge‹ dazu, die Gestalt von Schiffen anzunehmen. So…«
    »Wandellinge?«, wiederholte Ergil. Im nächsten Moment wurde ihm die Unhöflichkeit seiner Unterbrechung bewusst und er hielt verlegen die Hand vor den Mund.
    Ajuga sah großmütig darüber hinweg und erklärte: »Ein sehr kluges Nachtschattengewächs, das sich unter geschickter Anleitung in fast jede beliebige Form auswachsen kann. Wie der Name ihres Geschlechts schon andeutet, brauchen sie dazu nur eine einzige Nacht. Die Sirilim nannten sie übrigens ›Zimmermannsschoten‹. Sie zogen aus ihnen prächtige weiße Schiffe.«
    »Der ewige Schwarm«, murmelte Tiko.
    »Nennt man sie so in deinem Reich?«
    »Ja. Doch bitte fahrt fort, Majestät«, sagte der Susaner ehrfürchtig.
    »Gerne. Wo war ich stehen geblieben? Ah ja! Bei den Wandellingen. Nachdem unter der Aufzucht der Schönen eine Flotte schneeweißer lebender Schiffe herangewachsen war, sagten wir einander Lebewohl. Die Sirilim segelten nach Westen davon. Sie nahmen etwas Mutterboden mit sich, Wandelungkeime, einige Nacktsamer und etliche andere Pflanzen und Tiere. Als Abschiedsgeschenk übergab ich ihrem König die kleine Soldina, das ›Meer der Zungen‹.
    Als der Westwind ein paar Jahrhunderte später einige Sämlinge nach Floranien trug, berichteten diese von einer Katastrophe, die das neue Land der Sirilim verwüstet habe. Daraufhin seien sie abermals in ihre Schiffe gestiegen und wiederum nach Westen ins Unbekannte gesegelt.«
    Ergil erinnerte sich an die Verse, die er von Nishigo in Silmao gelernt hatte: Die Schönen kamen übers Nimmermeer, woher, das wissen wir nimmer mehr … Wenn das alte Lied die Wahrheit erzählte, dann stimmte auch die kühne Behauptung jener Gelehrten, die Mirads Gestalt als Kugel beschrieben.
    Ajugas Stimme nahm einen traurigen Klang an, als er fortfuhr: »Nach dem Weggang der Sirilim starb das Geschlecht der Nacktsamer in Floranien allmählich aus. Es tut mir sehr Leid, Euch das sagen zu müssen, mein junger Freund, aber Ihr werdet in meinem ganzen Reich keinen einzigen Ginkgomann und keine Ginkgofrau mehr finden.«
    Diese Mitteilung traf Ergil wie ein Keulenschlag. Sollten all die Wochen im Eisigen Ozean – von der langen und ungewissen Rückreise ganz zu schweigen – umsonst gewesen sein? Er rang mühsam um seine Fassung.
    Mit einem Mal stutzte er. »Mann? Frau?«
    »Sind die Wörter Euch fremd?«, wunderte sich Ajuga.
    »Äh, nein, nicht bei unsresgleichen. Aber habt Ihr gerade von männlichen und weiblichen Ginkgos gesprochen?«
    »O gewiss doch! Sagt bloß, Ihr wusstet nicht, dass eine Ginkgofrau nur Frucht tragen kann, wenn sie von einem Ginkgomann besamt wird?«
    Wieder war Ergil wie vom Donner gerührt, jetzt aber aus einem ganz anderen Grund. Ihm kam es so vor, als sei er monatelang mit einem schwarzen Schleier über dem Kopf durch die Weltgeschichte gelaufen. Und jetzt hatte Ajuga diesen Behang mit einem Ruck weggerissen. Das also war das Geheimnis der Unfruchtbarkeit des Goldfruchtbaumes im Palastgarten von Silmao! Wenn der Ginkgo früher Frucht getragen hatte, dann musste es sich um einen weiblichen Baum handeln. Eine Ginkgofrau, um mit Ajugas Worten zu sprechen.
    Aber wo bekam

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