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Mirad 03 - Das Wasser von Silmao

Titel: Mirad 03 - Das Wasser von Silmao Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ralf Isau
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Ergil widerspruchslos zur Umkehr bewegen. Dicht neben dem festgefrorenen Schiff landete sie auf dem Eis. Schekira begab sich in Gestalt einer Schneeeule an Deck der Bark. Die übrigen Gefährten hatten es weniger bequem, was angesichts ihres ausgeruhten Zustands aber verschmerzbar war. Einzig die dicken Mäntel und Handschuhe erwiesen sich beim Klettern als Erschwernis.
    Tusan hatte einen kleinen vierarmigen Anker mit einer daran befestigten Leine über die Reling geworfen. Schon der erste Versuch war geglückt. Der Draggen hatte sich verhakt und die jungen Männer hangelten sich an der von einer dicken Eiskruste überzogenen Außenwand des Seglers empor. Zum Glück waren sie von der Elvin vorgewarnt worden, denn am Oberdeck erwartete das Enterkommando ein schauriger Anblick.
    Erfrorene Seemänner.
    Als habe die Natur das Grauen abmildern wollen, hatte sie sämtliche Leichen in dicke Eispanzer gehüllt. Sie sahen aus wie überzuckert. Ergil zählte an die zehn Tote. Hier saß einer am Großmast, dort ein anderer am Kajütenhaus. Etliche lagen auf den Decksplanken. Einen hatte der Tod an der Reling ereilt. So unglaublich es klingt, aber der Ärmste stand noch auf seinen Beinen und spähte nach Westen – seit mittlerweile zweihundertfünfzig Jahren.
    »Dann wollen wir mal sehen, ob deine Vermutung stimmt«, sagte Jazzar-fajim mitten in das beklommene Schweigen hinein und lief mit Draggen und Leine zum Bug. Die Körperbeherrschung des Alten Volkes ist legendär. Obwohl der Sirilo auf der Strecke ungefähr zehnmal ausrutschte, fiel er doch kein einziges Mal hin. Entsprechend geschickt seilte er sich an einem Kranbalken ab und begann mit einer Spitzhacke auf die Namenstafel einzuschlagen. Ergil hörte, wie die Eiskruste zerplatzte, unter der ein Rätsel verborgen lag, das für seinen Durchdringersinn längst keines mehr war.
    »Es ist tatsächlich die Ginkgoblüte, Harkon Hakennases Schiff«, rief Jazzar-fajim den gespannt wartenden Gefährten zu.
    Niemand jubelte ob dieser ohne Frage historischen Entdeckung.
    Ergils Blick schweifte über die erstarrten Leichname. Ob der Abenteurer einer dieser weißen Figuren war?
    »Wir sollten einen Blick in die unteren Decks werfen«, sagte Tiko.
    »Auf jeden Fall«, gab ihm Ergil Recht. Vielleicht fanden sie ja ein Logbuch oder gar Harkons letzten unvollendeten Reisebericht und konnten so Näheres über seine Suche nach dem Lebenselixier erfahren.
    Sehr vorsichtig, um auf dem Eis nicht auszurutschen, schlichen die Gefährten nach achtern, wo sich die Poop – die Hütte mit der Kapitänskajüte – befand und Schekira bereits auf sie wartete. Ergil ließ die Schneeeule auf seinem Unterarm landen, als er vor dem Aufbau festen Stand gefunden hatte. Das Deckhaus war natürlich ebenfalls zugeeist. Um hineinzugelangen, musste Jazzar-fajim erneut seine Spitzhacke zum Einsatz bringen. Tusan und Tiko zündeten derweil eine Sturmlampe an. Ein paar Eisstückchen flogen der Entermannschaft wie die Splitter eines gefällten Baumes um die Ohren, als der Sirilo die Tür mit Gewalt aufriss.
    Er deutete mit der Hand hinein und sagte zu seinem Neffen: »Nach dir, Kapitän.«
    Ergil war für solcherlei Aufmunterungsversuche derzeit nicht besonders empfänglich. Ohne die Miene zu verziehen, betrat er die Hütte.
    Für ein Schiff, das einmal Kohlen transportiert hatte, war sie ungewöhnlich hoch, möglicherweise aufgrund eines nachträglichen Umbaus. Dieser mochte auch die Unterteilung in zwei Kajüten zum Zweck gehabt haben, vermutlich eine für den Kapitän und die zweite für den Expeditionsleiter. Weder der eine noch der andere waren zu sehen. Ergil fiel sofort die Unversehrtheit der Inneneinrichtung auf. Bis auf die frostigen Temperaturen hätte man sich in der mit edlen Hölzern ausgekleideten, mit seemännischem Zierrat dekorierten und mit einem eisernen Ofen bestückten Kammer durchaus wohl fühlen können. Etwas merkwürdig war der Umstand, dass man die vorderste Kajüte erst durchqueren musste, um in die hintere zu gelangen. Selbige erreichte man rechter Hand durch eine weitere Tür. Ergil nahm sich ein Herz und öffnete auch diese.
    Und dann erlitt er wieder einmal einen Schock.
    Mitten in der Kajüte saß auf einem thronartigen Stuhl ein Mann. Er sah zwar nicht besonders lebendig aus, war aber nicht wie seine Kameraden am Oberdeck von Eis überzogen. Unwillkürlich musste Ergil an den Hüter der Ginkgonadel in der »neunten Kammer« denken, dem er im Alten Palast von Silmao begegnet war. Um

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