Miranda - so stolz und so süß (German Edition)
nach “The Grange” zu Fuß zurückzulegen. Es war ein schöner Tag, und sie hatte etwas im Ort zu erledigen.
Der Kutscher ließ sie im Dorf aussteigen, wenngleich sichtlich widerstrebend. Sie hatte wirklich etwas zu erledigen. Sie wollte zu Mr Thorne, der am Rand von St. Mary Mere wohnte. Das Gartentor war abgesperrt, und obwohl sie heftig daran rüttelte und zum Hauseingang starrte, war hinter den kleinen Fenstern niemand zu sehen. Es kam auch niemand, um sich nach ihrem Begehr zu erkundigen.
Ihr blieb keine andere Wahl, als die Absicht, Mr Thorne zur Rede zu stellen, aufzugeben. Verärgert wandte sie sich ab.
Mrs Bennett stand vor ihr.
Miranda starrte sie an, zunächst noch nicht verängstigt, sondern eher erstaunt darüber, dass die Person etwas von ihr wollte und sich so leise herangeschlichen hatte. An deren Stelle hätte sie sich viel zu sehr geschämt, als dass sie auch nur in Sichtweite ihrer früheren Herrin geraten wäre.
“Sie sind sehr dreist, Mrs Bennett”, sagte sie.
Nancy lächelte abfällig. “Ich, dreist? Das ist wohl eher umgekehrt der Fall, Madam. Sie schulden mir, meinen Kindern und meinem Vater den Lohn. Wir haben seit Monaten kein Geld bekommen, und dann wurden wir von Ihnen ohne einen Penny auf die Straße gesetzt.”
“Ich soll Sie hinausgeworfen haben?”, fragte Miranda erstaunt. “Sie haben mich bestohlen!”
“Das waren Master Julians Sachen, die er uns geschenkt hat. Im Gegensatz zu Ihnen war er mit unserer Arbeit zufrieden.”
Miranda fragte sich, ob Mrs Bennett die Lügen glaubte, die sie äußerte. Falls es an dem war, erklärte das deren unverschämtes Betragen.
“Sie haben uns ohne Lohn hinausgeworfen, und jetzt ist Ihr Haus voller Fremder”, fuhr Mrs Bennett fort.
“Diese Dienstboten gehörten zum Haushalt meines angeheirateten Vetters.”
“‘The Grange’ war unser Heim.”
Mrs Bennetts Miene drückte größte Abneigung aus. Zum ersten Mal empfand Miranda jetzt Unbehagen. Rasch blickte sie die Straße hinunter und bemerkte einen Reiter.
Auch Nancy fiel er auf. “Sie gehören nicht hierher”, sagte sie abfällig. “Sie sind eine Fremde.”
“Ich bin Master Julians Witwe.”
“Wir mögen keine Fremden.”
“Ich habe ebenso viel Recht, hier zu sein, wie Sie.”
“Ich habe mein ganzes Leben hier verbracht und bin schon als Mädchen nach ‘The Grange’ in den Dienst gekommen. Meine Vorfahren haben dort seit der Zeit Heinrichs VIII. gearbeitet. Der Besitz gehört meiner Familie mehr als den Fitzgibbons.”
“Gehen Sie beiseite. Ich will weiter.”
“Nicht, bevor Sie mich entlohnt haben.”
Mrs Bennett streckte die Hand aus, als habe sie die Absicht, Miranda aufzuhalten.
Im gleichen Moment sagte Leo jedoch: “Gehen Sie nach Haus, Mrs Bennett. Mrs Fitzgibbon hat Ihnen nichts getan. Sie selbst sind an Ihrer augenblicklichen Lage schuld.”
Nancys Lippen wurden weiß. Wütend drehte sie sich zum Herzog um. Flüchtig hatte es den Anschein, als ob sie mit ihm streiten wolle, doch dann besann sie sich offensichtlich eines Besseren und entfernte sich.
Miranda atmete mehrmals tief durch. Sie zitterte innerlich, war jedoch nicht sicher, ob das auf die Auseinandersetzung mit Mrs Bennett zurückzuführen war oder auf den Umstand, dass Leo sie rechtzeitig vor der frechen Person gerettet hatte.
“Vielen Dank, Leo. Ich weiß nicht, ob ich ihr entkommen wäre, hättest du dich nicht eingeschaltet.”
Stirnrunzelnd schaute er die “dekadente Gräfin” an. “Du hättest nie allein ins Dorf kommen dürfen, Adela.”
“Ich habe nicht damit gerechnet, dass Mrs Bennett die Frechheit haben würde, mich in dieser Weise zu belästigen. Was für eine grässliche Person!”
Der zittrige Klang ihrer Stimme schien Leos Verstimmung zu vertreiben. Er saß ab und ergriff Adela am Arm. “Du bist erschüttert, meine Liebe. Komm, gehen wir ins Dorf zurück. Ich werde dir eine Kutsche besorgen.”
“Oh nein, nein!” Miranda schüttelte den Kopf und lachte gezwungen auf. “Mir ist nichts passiert. Ich bin nur ein bisschen überrascht darüber, dass Mrs Bennett glaubt, was sie äußert. Sie sieht sich wirklich nicht im Unrecht, sondern mich. Sie begreift nicht, dass es unerhört war, mir meine Sachen zu stehlen und sich zu weigern, meine Anweisungen zu befolgen.”
Leo schaute Julians Witwe an und sah ihr Gesicht abwechselnd rot und blass werden.
“Dann werde ich dich auf mein Pferd setzen”, erwiderte er. “In deinem Zustand kannst du nicht nach Haus
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