Miranda - so stolz und so süß (German Edition)
Schultern gestrafft, entfernen. Er hatte sich wie ein prinzipienloser Frauenheld benommen. Er war über sich erstaunt und verabscheute sich.
Er saß auf, und während er langsam nach Ormiston ritt, wurde seine Selbstverachtung nach und nach von Verwirrung über Adelas Wesen verdrängt. Widersprüche, die er bis jetzt unbeachtet gelassen hatte, fielen ihm nun besonders auf. Ja, sie war verängstigt gewesen, als er sie vor Mr Thornes Haus angetroffen hatte. Aber zu diesem Zeitpunkt hatte sie einen anderen Eindruck auf ihn gemacht. Sie hatte sich nicht mehr so hochgestochen benommen wie sonst in seiner Gegenwart. Nein, sie war anders gewesen, viel natürlicher und umgänglicher. Auf dem Weg zu ihr nach Haus hatte sie sich dann verändert. Sie hatte auf eine andere Weise gelacht und wie eine viel sachlicher denkende Frau geredet.
Hatte sie ein gespaltenes Wesen? Je länger Leo über sie nachgrübelte, desto mehr fielen ihm andere Gelegenheiten ein, bei denen sie sich ebenso widersprüchlich verhalten hatte. Das war sehr verwirrend und ihm keine Hilfe, um mit sich ins Reine zu kommen. Er fragte sich, ob er den Verstand verlor.
Als er zu Haus eintraf, war er der Lösung seiner Probleme keine Spur näher gekommen. Im Gegenteil, er war noch immer sehr verwirrt. Der Knecht, der das Pferd in den Stall führen wollte, verstärkte noch seine Verwirrung durch die Mitteilung, Lady Clementina Mainwaring sei eingetroffen.
“Meine Schwester?”, fragte er und starrte ihn verständnislos an. “Ich habe nur eine Schwester, und die ist in Sussex.”
“Nein, Euer Gnaden. Sie ist hier. Sie ist vor einer Stunde angekommen.”
Sie war hier? Leo beschleunigte die Schritte und fragte sich, was sie hier wollte, warum sie ihre Familie verlassen und zu ihm zu Besuch gekommen war. Vielleicht hatte sie schlechte Neuigkeiten. Diesen Gedanken tat er jedoch ab. Seine Familie bestand aus ihm und seiner zehn Jahre jüngeren Schwester, und wenn Clementina eine schlechte Neuigkeit für ihn gehabt hätte, würde sie ihm diese kaum persönlich übermitteln.
Er traf sie im Salon an. “Du siehst gut aus, Tina”, sagte er.
Sie wollte jedoch kein Kompliment hören. “Was erfahre ich da über Julians Witwe, Leo?” platzte sie heraus. “Tante Ellen hat mir geschrieben, ihre Schwiegertochter sei die sogenannte ‘dekadente Gräfin’. Entweder hast du den Verstand verloren oder dich Hals über Kopf in Julians Witwe verliebt. Also, was hast du zu Tante Ellens Bericht zu sagen?”
Leo lachte auf. Es klang gezwungen und vollkommen humorlos. “Was soll ich dazu sagen? Unsere liebe Tante ist mit den Nerven fertig. Sie hat von mir verlangt, mich mit der Sache zu befassen, und da ich das nicht so schnell erledigen konnte, wie sie sich das vorstellt, ist sie wohl der Meinung, ich würde oder könne nichts unternehmen. Du kennst sie doch.”
“Natürlich. Ich weiß auch, dass sie so schnell die Nerven nicht verliert. Etwas muss sie restlos aus der Fassung gebracht haben, und ich glaube, Leo, du weißt, was das ist.”
Schweigend betrachtete Clementina ihn. Sie hatte sich ihm stets eng verbunden gefühlt. Wenngleich sie in der letzten Zeit stark durch ihre eigene Familie in Anspruch genommen worden war, meinte sie, den Bruder immer noch gut genug zu kennen, um zu wissen, was jetzt in ihm vorging. Er war beunruhigt und nicht mehr er selbst. Er war aus dem inneren Gleichgewicht geraten und wusste nicht, wie er damit umgehen solle.
“Wie ist diese Frau, Leo?”
Er nahm sich zusammen, ehe er sich umdrehte, sodass er sie, wie üblich gelassen lächelnd, anschauen konnte. Sein Blick war jedoch ernst.
“Erträglich.”
“Erträglich, Leo?” Clementina zog eine Augenbraue hoch.
Er lachte, diesmal herzlich.
“Nun ja, Adela ist mehr als erträglich. Sie ist eine Schönheit, Tina. Ihre Schönheit ist jedoch nicht nur äußerlich. Sie hat eine so süße Ausstrahlung, wie ich sie einer Frau nie zugetraut hätte. Ich weiß nicht, wie ich das ausdrücken soll. Sie ist eine Hexe.”
“Die dich, wie es aussieht, verhext hat”, äußerte Clementina trocken. “Oh, Leo, wie konntest du? Ich kann nicht glauben, dass ausgerechnet du auf eine solche Frau hereinfallen würdest.”
“Das habe auch ich mir vorgehalten, ohne Erfolg.”
“Würdest du … möchtest du …”
“Sie zu meiner Mätresse machen?” warf Leo spöttisch ein. “Ja, ich nehme an, das könnte möglich sein. Aber dann würde mein Ruf wahrscheinlich ebenso leiden, wie ihrer bereits
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