Miss Braitwhistle kommt in Fahrt
drauf.
Ich hab Aki angeschaut und Aki hat mich angeschaut. »O nein, das sind die Prüfungsaufgaben«, hab ich gesagt.
»So ein Mist!«, hat Aki gesagt.
»Nur Mut, die Fragen sind nicht schwer«, meinte Miss Braitwhistle.
»Für mich sicher nicht«, hat Hugo gesagt. »Für die anderen schon!«
Aber dann hat er auf den Zettel geglotzt und gestottert: »Aber das … das versteh ich nicht, das … hab ich nicht … gelernt.«
Es waren wirklich ganz andere Fragen als die, die Herr Fischli mit uns geübt hatte.
Die erste Frage hieß: Dir begegnet mitten auf der Straße eine Schafherde, was tust du?
a) Ich schere sie und stricke mir einen Pulli; oder
b) Ich fahre im Slalom zwischen den Schafen durch; oder
c) Ich steige sicherheitshalber vom Rad.
Die zweite Frage war noch besser: Wenn du einem Autofahrer zeigen willst, dass du abbiegen möchtest, streckst du dann a) das Bein raus oder
b) den Arm oder
c) die Zunge?
Und die dritte Frage war auch nicht schlecht: Warum solltest du immer einen Helm tragen?
a) Weil man sich dann nie kämmen muss; oder
b) Weil es einfach cool aussieht; oder
c) Damit man sich nicht den Kopf verletzt.
Wir haben die Fragen alle beantwortet, sogar Henni. Ich glaube, es war das erste Mal, dass sie nicht die Letzte war.
»Hugo, alle sind fertig, hurry up«, hat Miss Braitwhistle gesagt.
»Ich weiß nicht, was ich schreiben soll«, hat Hugo gejammert. »Das hab ich nicht gelernt.«
»Das muss man nicht lernen, das sagt dir Verstand.«
Aber Hugo hatte keinen Verstand, daher konnte der ihm auch nichts sagen.
Miss Braitwhistle hat dann die Zettel eingesammelt, wir haben das Spukzimmer verlassen und auch den Pub.
Es hat nicht mehr geregnet, es schien sogar die Sonne. Wir sind auf unsere Räder gestiegen und Miss Braitwhistle hinterhergefahren. Und das war richtig anstrengend, denn wir mussten mal links, mal rechts fahren, mal im Kreis, mal schnell bergauf und langsam bergab, mussten bremsen und wieder beschleunigen. Hugo hat sich auf seinem Rädchen ganz schön abstrampeln müssen.
Plötzlich rief Pauline: »Guckt mal, da vorn ist unsere Schule!«
Auf dem Sportplatz waren die aus der 4b immer noch dabei, am Zebrastreifen anzuhalten, in den Kreisverkehr zu fahren und Handzeichen zu geben. Die Verkehrsschilder haben inzwischen alle an der richtigen Stelle gestanden.
»Wo waren Sie?«, hat Frau Sauermann Miss Braitwhistle angeblafft. Sie sah wirklich aus wie Missis Sulky, und ich glaube, sie roch auch so. »Haben Sie den theoretischen und praktischen Teil der Radfahrprüfung vorschriftsmäßig durchgeführt?«
»Of course!«, hat Miss Braitwhistle gesagt. »Alle in der 4a haben bestanden mit Auszeichnung! Nur Hugo muss machen die schriftliche Prufung noch einmal.«
Sie hat die Fragebögen aus ihrer Tasche gezogen und Frau Sauermann unter die Nase gehalten.
»Das glaube ich nicht«, hat die gesagt und wollte nach den Bögen greifen. Ich hab schon Angst bekommen, dass sie sieht, dass wir gar nicht die richtigen Fragen beantwortet haben. Doch genau in dem Moment gab es einen lauten Knall. Der fiese Albrecht war gegen ein Stoppschild gefahren, weil er neugierig zu uns rüber geglotzt und nicht aufgepasst hatte.
Wir wollten es erst nicht glauben, aber er lag doch tatsächlich am Boden, hat sich sein Knie gehalten und angefangen zu heulen.
Frau Sauermann ist zu ihm hin und Miss Braitwhistle hat die Fragebögen zurück in ihre Tasche gesteckt und dafür die Führerscheine herausgezogen.
Wir haben jeder unseren Fahrradführerschein bekommen und sind ziemlich stolz gewesen.
Hugo hatte nichts, auf das er stolz sein konnte, nur ein kaputtes Fahrrad. Natürlich geschah ihm das recht, er ist ein schrecklicher Angeber, aber irgendwie tat er mir auch leid.
»Miss Braitwhistle«, hab ich gesagt. »Könnte Hugo nicht auch den Fahrradführerschein bekommen?«
»Warum?«
»Er hatte es viel schwerer als wir mit seinem Winzrad.«
»Und er hat auch bestimmt mehr gelernt als wir«, hat Aki gesagt.
Miss Braitwhistle hat ihre Tasche aufgemacht und einen Fahrradführerschein herausgezogen, auf dem stand ganz groß Hugos Name.
Hugo hat gestrahlt, aber als er sein kaputtes Rad angeschaut hat, ist ihm das Lachen gleich wieder vergangen.
»Du kannst deiner Mutter ja erzählen, du wärst mit einem Schaf zusammengestoßen«, hat Pauline vorgeschlagen, aber das hielt Hugo für keine gute Idee.
»Sag ihr einfach die Wahrheit«, meinte Clemens. »Sag ihr, dass das Rad für dich viel zu groß
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